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Konservative, Sozialrevolutionäre und Neocons: Nach den Wahlen wird man mehr über Machtverschiebungen innerhalb der iranischen Rechten wissen, sagt der in Berlin wirkende Iranist Walter Posch zu Gudrun Harrer.

Standard: Die Parlamentswahlen machen diesmal die "Konservativen", wie sie in den Medien heißen, unter sich aus. Sind die Wahlen noch in irgendeiner Form relevant?

Posch: Sie sind insoweit relevant, als sie die Machtverschiebungen innerhalb der Rechten und den Status von Präsident Mahmud Ahmadi-Nejads erklären. Die Sammelbezeichnung "Konservative" trifft es übrigens nicht, vielmehr handelt es sich um ein loses Bündnis verschiedener rechts-orientierter Gruppen, darunter eben auch Konservative. Wichtig sind aber auch die sozialrevolutionären Hezbollahis, deren große Hoffnung Ahmadi-Nejad war. Aber auch die Anhänger dessen, was ich als " neue Rechte" bezeichnen will, sind wichtig. Dazu gehören Ahmadi-Nejad, Ayatollah Mesbah Yazdi und der frühere Parlamentspräsident Gholam Ali Haddad-Adel: Alle versuchen verschiedene ideologische Ansätze, in denen Islamismus, Nationalismus und kulturalistische Vorstellungen gemischt werden.

Standard: Hat nicht Ahmadi-Nejad im Lager Mesbah-Yazdis seine Anhänger weitgehend verloren?

Posch: Ja, aber die haben ihm zu lange die Treue gehalten und waren eine der letzten Gruppen, die den Absprung aus dem Ahmadi-Nejad Lager geschafft haben. Außerdem haben sie viel zu spät gemerkt, dass ihr Präsident eben kein Schüler Mesbah-Yazdis war, sondern ihm so lange schmeichelte, wie er ihn und vor allem die Kader seiner Netzwerke brauchte. Viele der wichtigsten Anhänger Mesbah-Yazdis sind heute Ahmadi-Nejad verpflichtet, der ihnen gute Posten in der Verwaltung und an den Universitäten verschaffte.

Standard: Wird Ahmadi-Nejad bis zum Ende seiner zweite Amtszeit durchhalten?

Posch: Er wird auf keinen Fall aufgeben. Außerdem gehe ich davon aus, dass er innerhalb aller rechten politischen Gruppierungen der einzige echte Populist ist. Gut möglich, dass "das System" ihn "entzaubert" hat, aber diese "Entzauberung" ging dann auch zulasten des Gesamtsystems. Es gibt gar nicht so wenige Leute, die in ihm jemanden sehen, den "die da oben" einfach nicht arbeiten lassen. Natürlich ist das nicht die Mehrheit, aber da sich 2009 das System selbst überlistete, indem es die Grüne Bewegung – die islamistische Linke – ausgeschaltet hat, sind seine Anhänger wichtiger geworden. Andererseits betrachte ich den ideologischen Spagat, den er versucht hat – von den Pragmatikern zu den Hezbollahis, zu den religiösen Schwarmgeistern der Unterschicht und - und das vor allem – zu den Nationalisten -, als gescheitert.

Wirklich entzaubert wurde aber der religiöse Führer Ali Khamenei, der muss jetzt immer mehr in die Tagespolitik eingreifen.

Standard: Sehen Sie irgendeine Möglichkeit für eine Lösung im Atomstreit?

Posch: Die technischen und völkerrechtlichen Lösungsansätze sind bekannt, die Verhandlungen standen ja 2009 schon fast vor dem Abschluss. Unter den vielen Gründen, warum es damals scheiterte, wogen die Querelen in Teheran, wo wichtige Gruppen Ahmadi-Nejad keinen Erfolg gönnten, am schwersten.

Der Mangel an Transparenz von iranischer Seite hängt auch mit der Zwickmühle zusammen, in die sich Teheran selbst manövriert hat: Erlauben sie strenge Inspektionen und es stellt sich heraus, dass das Programm bei weitem nicht so weit ist, wie die Propaganda es gerne hätte, dann hat es nichts mehr, womit es seinen Führungsanspruch in der Region untermauert. Und darum ging es eigentlich bei dieser riskanten Politik. Bleibt es bei seiner Verweigerungshaltung, kann es die Zweifel nicht ausräumen und unterstützt das Argument jener, die vor einer Nuklearbewaffnung warnen.

Standard: Hat der fast schon totale Wirtschaftskrieg des Westens Aussicht auf Erfolg, und wie reagiert die Bevölkerung darauf?

Posch: Natürlich leidet die Bevölkerung unter den Sanktionen, aber sie gibt nicht ausschließlich dem Regime die Schuld. Mehr und mehr sind die Iraner überzeugt, dass der Westen in erster Linie gegen das iranische Volk handelt, ein Glaube, der von der Propaganda des Regimes gestärkt wird. Nötig wäre nun, von westlicher Seite selbst aktiv zu werden und den Iranern den Weg zu zeigen, wie sie aus dieser Lage ohne Demütigung wieder herauskommen.

Der totale Wirtschaftskrieg hat noch nicht begonnen, aber man ist schon nahe dran. Das sogenannte Embargo – eigentlich ein Boykott gegen den Kauf iranischen Öls – ist der erste Schritt dazu. Sollte es zu einem echten Wirtschaftskrieg kommen, sind Panikreaktionen der Iraner nicht auszuschließen. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.3.2012)