Wien - Ein Wunder, dass die Schriftführerin am Wiener Landesgericht nicht die Hände vor dem Gesicht zusammenschlägt und zu schluchzen beginnt. Denn sie muss einen Crashkurs in Computertechnik absolvieren. Aufgebrochene RAID-Verbände, VPN-Tunnel, "Road Warrior" -Konfiguration - diese Begriffe schwirren durch den Prozess um den selten angeklagten Paragrafen "Datenbeschädigung" .

Vor dem Gericht sitzt Roman R., Inhaber einer EDV-Firma. Der Vorwurf: Der 45-Jährige soll im Oktober 2010 von seinem Notebook aus in das System eines kurz zuvor verlorenen Kunden, einer Wiener Apothekenkette, eingedrungen sein; dabei Server zurückgesetzt und alle Daten gelöscht haben. Die Folge: Eine Apotheke blieb am nächsten Tag zu, in einem Labor stand alles. Der Schaden: über 70.000 Euro.

Sein Verteidiger Christian Puck argumentiert ganz anders - und stellt in den Raum, dass R.s ehemaliger Subunternehmer, der wenige Tage vorher den geschädigten Kunden übernommen hatte, der wahre Täter sei. Denn sein Mandant sei am fraglichen Tag bei seiner Partnerin Abendessen gewesen. Ohne Notebook.

Richter Gerald Wagner hat es nicht ganz leicht. Denn der Angeklagte, der Subunternehmer als Zeuge und der ermittelnde Polizist sprechen primär Computersprache. Es kristallisiert sich heraus, dass es eben schwierig ist zuzuordnen, wer von wo mit welchem (fremden) Passwort ins Internet eingestiegen ist. Die Zeugen widersprechen sich oder sind auffallend präzise und erinnern sich an genaue Uhrzeiten am Tatabend vor eineinhalb Jahren. Wagners Ausweg: Er vertagt zur Einholung eines weiteren Gutachtens - von einem TU-Professor. Die Schriftführerin wird sich schon freuen.(Michael Möseneder, DER STANDARD; Printausgabe, 2.3.2012)