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Ahmed (10) trainiert im neuen Boxklub. Sein Vater war Boxer gewesen, ehe der Sport in Libyen verboten wurde.

Foto: REUTERS/Suhaib Salem

Tripolis - Der Tod von Muammar al-Gaddafi am 20. Oktober 2011 vor den Toren der Stadt Sirte hatte auch eine Nebenwirkung. Mittlerweile haben sich die Boxer in der Hauptstadt Tripolis neu organisiert und den ersten Boxklub des Landes ausgerechnet dort eröffnet, wo sich die Gaddafi-Anhänger getroffen hatten, um seine Lehren - niedergeschrieben im "Grünen Buch" - zu diskutieren.

In seiner Schrift hatte Gaddafi, der vor seinem Sturz die Kriegsmaschinerie des Landes gegen das eigene Volk richtete und tausende Libyer töten ließ, den Faustkampf zum Relikt menschlicher Evolution erklärt: "Verschiedene Arten von Boxen und Ringen sind ein Beleg dafür, dass die Menschheit das Verhalten von Wilden noch nicht ganz abgeschüttelt hat" , heißt es. Und weiter: "Diese Aktivitäten werden unweigerlich ihr Ende finden, wenn der Mensch die Leiter der Zivilisation weiter emporklettert."

Ein Ende hat bislang nur Gaddafis Herrschaft genommen. Und damit Dris Ali Mohammed einen unverhofften Neuanfang beschert. Der 63-Jährige war einst selbst ein junger, hoffnungsvoller Boxer in Libyen, traf einst in Bengasi sogar den Größten, seinen Beinahe-Namensvetter Muhammad Ali. Das vor 31 Jahren verhängte Boxverbot traf ihn schwer: "Ich habe meine Handschuhe in den Kasten gesperrt und mit dem Gewichtheben angefangen. Ich musste etwas tun."

Heute gibt Mohammed sein Wissen weiter und sucht Boxer und einen Namen für seinen Klub im Zentrum von Tripolis. Der Sport lässt ihn die Vergangenheit vergessen, obwohl die schweren Eisentüren zum Gym noch immer in Gaddafis Grün gestrichen sind. Mohammed wird wütend, wenn er über den toten Diktator spricht: "Er hat das Boxen verboten, weil er es für einen grausamen Sport hielt. Aber er hatte nie Probleme, Gefangene in Abu Slim zu hängen und zu ermorden. Kein Wunder, dass er von unseren Jungs getötet wurde."

Die Wut will er kanalisieren, denn Mohammed glaubt an die jungen Boxer aus Libyen. "Unsere Männer aus Bengasi und Tripolis sind sehr gut, vor allem die Boxer aus Bengasi" , sagt er. Auch Kinder trainieren dort, wie der zehnjährige Ahmed, der als einer der wenigen mit richtigen Boxhandschuhen ausstaffiert ist. Sein Vater, ein ehemaliger Boxer, engagiert sich dafür, eine neue Generation von Faustkämpfern aufzubauen.

"Champions wachsen"

Während die Sportler im Gym trainieren, tropft es unablässig von der Decke. Nicht nur das Ringen um Freiheit war ein mühsamer Kampf, auch das tägliche Training unter solch kläglichen Bedingungen ist es.

Mohammed ist bereit, auch diesen Kampf anzunehmen. Sein Schützling Ramzi Abdulhadi al-Haji ebenso. "Ich will der libysche Muhammad Ali werden" , sagt er völlig unbescheiden und zeigt in den Raum: "Schau, hier ist es kalt und nass. Es gibt hier kaum etwas, außer unserem Verlangen zu boxen. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir in unserem neuen Libyen alle unsere Träume leben können."

Oder wie es weiland Muhammad Ali sagte: "Champions wachsen, weil sie etwas in sich haben. Einen Wunsch, einen Traum, eine Vision." (DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 2. März 2012, sid, red)