Drei Tage nach dem Mähen sind die Pisten optimal, sagt Hirschhofer. 164 Rollen befinden sich in den beiden Grasskiern. Die gehören auch geputzt. " Das ist schon aufwändig. Vor den Rennen richte ich meine Skier bis zu sechs Stunden her."

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Ingrid Hirschhofer, 22-fache Weltmeisterin, gewann achtmal den Gesamtweltcup.

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Wien - Doch, da war etwas. Vor ungefähr 15 Jahren hat sich ihr Arbeitsplatz geändert. Vom Schwarzenbergplatz im Zentrum Wiens ist sie hinaus in die Brehmstraße im 11. Bezirk gezogen. Dafür konnte Ingrid Hirschhofer freilich nichts, den Umzug hat ihr Arbeitgeber verantwortet. Und der ist seit fast 26 Jahren derselbe. "Auch wenn das Unternehmen zu Beginn Girozentrale und später GiroCredit geheißen hat", sagt Hirschhofer. "Jetzt heißt es eben Erste Bank."

Konstanz ist so ein Wort, das man, würde es nicht existieren, für Ingrid Hirschhofer erfinden müsste. Eigentlich sollte sich die beliebte Standard-Serie ja um verdiente österreichische Sportler und deren Karriere danach drehen. Bei der 48-jährigen Niederösterreicherin gibt es aber keine Karriere danach. Erstens, weil es den Beruf als Bankangestellte schon während ihrer sportlichen Laufbahn gegeben hat. Und zweitens, weil sie als Athletin niemals zurückgetreten ist.

Hirschhofer, das ist über jeden Zweifel erhaben, ist die Doyenne der internationalen Grasskifahrt. Seit 36 Jahren ist sie mittlerweile in der Szene aktiv, holte 22 Weltmeistertitel, achtmal den Gesamtweltcup. In Österreich ist sie nach wie vor sowieso unerreicht. "Bei den letzten Staatsmeisterschaften 2011 gewann ich in allen vier Disziplinen", erzählt Hirschhofer. Daniela Krückel, eine ihrer Konkurrentinnen, ist 16 Jahre alt - und damit um 32 Lenze jünger. "In der Zeitung habe ich dann gelesen, dass ich schon 94-fache österreichische Meisterin bin. Viel fehlt ja nicht mehr zum 100. Titel."

Herr Zickbauer und die Maulwurfshügel

International ist Hirschhofer die einzige noch aktive Athletin, die schon bei der überhaupt ersten Grasski-WM anno 1979 in Bryce Resort am Start war. Auf Anhieb gewann sie in den USA als 15-Jährige im Slalom und in der Kombination. Seither folgten 16 Weltmeisterschaften. Einzig 1991 - Hirschhofer verpasste aufgrund eines Kreuzbandrisses die gesamte Saison - gewann sie keine Medaille. 2011 in Goldingen baumelten zwei Bronzene um den Hals.

"2013 findet die WM in Japan statt. Die will ich unbedingt noch mitnehmen."Um dieses Ziel zu erreichen, geht es nach dem Winter erstmals zu Ostern wieder ab auf die Piste. In Traisen bei Wilhelmsburg wartet die perfekte Trainingswiese. "Der Herr Zickbauer mäht den Hang dort jede Woche für uns", sagt Hirschhofer. Maulwurfshügel und Unebenheiten müssen die Grasski-Asse schon selbst beseitigen.

Auf der zweiten Rennpiste im burgenländischen Rettenbach holen sich die Sportler dann den Feinschliff. Das Grasskifahren gelernt hat Hirschhofer noch vor dem Skifahren. "Ich habe das einmal gesehen und wollte es unbedingt lernen." Die Trainingsmethoden waren unorthodox: Ihr Vater hat sie als Zehnjährige mit einem Seil hinter dem Traktor hergezogen. "Bei uns in Schwarzensee gibt es elendslange, flache Wiesen. Ich habe nur die Füße umgelegt, und schon ist es dahin gegangen. Mit Pflug fahren ist da nix, wenn du keinen Köpfler in die Wiese machen willst."

Ab auf die Piste

Die Trainingsbedingungen haben sich freilich gewandelt. Viermal die Woche fährt Hirschhofer direkt nach der Arbeit im Wiener Büro, wo sie den Standard empfängt, rund 90 Minuten nach Traisen oder Rettenbach. " Wir trainieren nur dann nicht, wenn es schüttet. Und wenn es gut läuft, sind wir im Sommer bis neun, halb zehn auf der Piste." Da ist es praktisch, dass ihr Lebensgefährte Paul Lavnick die Trainingsgruppe coacht. Der Garten beim gemeinsamen Haus in Neuhaus an der Triesting wird dann nur an den seltenen freien Wochenenden gepflegt. 40.000 km im Auto kommen so im Jahr zwischen Wohnung, Arbeitsplatz und Grasski-Wiese zusammen. "Mein alter Golf hat zum Schluss fast 600.000 Kilometer auf dem Tachometer gehabt." Der neue Audi ist vom Rekord noch weit entfernt.

Als Lohn für die Mühen wartet im Sommer etwa der Weltcup-Stopp im Iran. "Unser Kitzbühel liegt im Iran", sagt Hirschhofer. Zu den Grasski-Rennen im bekannten Skiort Dizin im Elburs-Gebirge nördlich von Teheran kommen schon einmal 5000 bis 8000 Fans. "Im Sommer ist es dort rechts und links neben unserer Piste kahl und grau. Nur unsere Wiese wird bewässert und glänzt grün."Für die Auslandsreisen des Nationalteams kommt der Österreichische Skiverband (ÖSV) auf, Grasski ist eine eigene Sektion. Auch den Rennanzug stellt der ÖSV.

Dank der Chefin

Ansonsten ist es kein Zufall, dass Ingrid Hirschhofer bei der Erste Bank Vollzeit im Bereich Office Organisation arbeitet, um sich ihren Sport leisten zu können. "Die Chefin ist ein Traum, meine Überstunden kann ich im Sommer als Zeitausgleich für die Reisen zu den Rennen nehmen", sagt sie. Ansonsten trennt sie Arbeit und Sport strikt. "Ganz am Anfang hab ich bei der Bank einmal um ein Sponsoring angesucht. Das wurde abgelehnt - mit der Begründung: 'Wir sponsern nur Kunst und Kultur.'"Auf ihre 35. Saison freut sich Hirschhofer - wie sagen die alpinen Skifahrer - "gewaltig. Ich habe mir noch nie die Frage gestellt, warum ich es noch immer mache. Und ich fange jetzt sicher nicht damit an."(David Krutzler, DER STANDARD, 02.04.2012)