kopenhagen - Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble dürfte nach einem krankheitsbedingten Rückzug des luxemburgischen Premierministers Jean-Claude Juncker neuer Chef der Eurogruppe der 17 Teilnehmerstaaten an der Währungsunion werden. Dies zeichnete sich nach dem Abschluss der zweitägigen Beratungen der EU-Finanzminister in Kopenhagen am Wochenende ab.

Einige Länder haben gegen den Deutschen nach wie vor massive Einwände: Man fürchtet, dass er als Vertreter des mächtigsten EU-Landes mit den größten Beiträgen die Partner erdrückt. Juncker selber soll ihm eher abraten. Aber Kanzlerin Angela Merkel will eine starke Führung der Eurogruppe im Sinne der Stabilitätspolitik.

Nach Frankreich-Wahlen

Wie der erfuhr, wird die Entscheidung auf Wunsch von Frankreich erst nach den Präsidentenwahlen am 6. Mai herbeigeführt. Viel hängt auch davon ab, ob für Schäuble, der nach einem Attentat seit zwanzig Jahren im Rollstuhl sitzt, in Brüssel ideale Bedingungen geschaffen werden können, über die er als Minister in Berlin selbstverständlich verfügt. Eine Variante: Schäuble übernimmt den Job hauptberuflich, bekäme dadurch starkes Gewicht im Rat der EU-Regierungschefs. Einige Länder hoffen noch immer, dass Juncker es sich nochmal überlegt und bleibt. Er möchte jedoch aufhören, hat große Nierenprobleme.

Stufenplan für Transaktionssteuer

Neben der Aufstockung der Euro-Haftungsgarantien vereinbarten die Minister ein neues Vorgehen bei der Finanztransaktionssteuer: Demnach will man auf Schäubles Vorschlag hin versuchen, ein Stufenmodell zu erarbeiten, die EU-weit bestehenden diversen Abgaben auf Aktien- oder Bankgeschäfte zu harmonisieren, und die von London strikt abgelehnte Besteuerung des Derivathandels langsam starten. Bis Jahresende soll eine Arbeitsgruppe einen konkreten Vorschlag erarbeiten. Laut Finanzministerin Maria Fekter soll das Modell drei Bedingungen erfüllen: den Hochfrequenzhandel dämpfen, Steuereinnahmen bringen und eine Stabilisierung des Finanzmarktes. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 2.4.2012)