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Das Greifen gehört zu den wichtigsten Elementen der Klettertechnik. Lässt sich die gesamte Hand am Fels auflegen, ist das Risiko einer Ringbandverletzung kaum gegeben.

Die Finger eines Sportkletterers müssen einiges aushalten, hängt doch oft sein gesamtes Körpergewicht daran. Die Ringbänder, die der Fixierung der Beugesehnen an Mittelhand- und Fingerknochen dienen, sind den extremen Belastungen nicht immer gewachsen. Teilrupturen oder vollständige Risse sind mitunter die Folge. "Die Funktion der Ringbänder entspricht den Metallringen einer Angel. Wird die Angelrute abgebogen, muss die Leine auch halbwegs parallel laufen, und sie braucht die Ringe zur Fixierung", sagt Günther Straub. Für den Sport- und Höhenmediziner sowie Facharzt auf dem Gebiet der Hand- und Ellenbogenchirurgie sind Ringbandrisse der Alltag in seiner Ordination in Linz. "Diese Woche waren es drei, im Durchschnitt sind es 30 bis 40 solcher Ringbandverletzungen im Jahr", so Straub.

Der Unfallhergang ist klassisch: Verliert ein Sportkletterer mit seinen Füßen den Halt, werden die Finger völlig unvorbereitet maximal belastet. "Je kleiner die Griffe, desto eher muss ein Kletterer die Finger aufstellen. Das mittlere Fingergelenk ist in dieser Position fast rechtwinkelig gebeugt und auf das untere Gelenk wirkt eine enorme Zugkraft. Da werden Kräfte von 200 bis 300 Kilo frei", erzählt Straub, der selbst leidenschaftlicher und geübter Sportkletterer ist.

Lautes Schnalzen

Ringbandrisse sind kaum zu überhören. "Auch der Sichernde, der zehn Meter weiter oben klettert, hört das laute Schnalzen", so der Sportmediziner. Verglichen mit der Lautstärke sind die damit verbundenen Schmerzen allerdings gering. Meist kommt es zu einer leichten Schwellung am Tag danach. Mit dem Weiterklettern ist es vorübergehend vorbei, da diese Verletzung mit einem Kraftverlust und einer Bewegungseinschränkung einhergeht. "Es fühlt sich an, als ob es einem den Finger aushängen würde", erzählt Straub, der als Sportkletterer auch schon wochenlang an einem Ringbandriss laboriert hat und sein normales Kletterniveau erst nach drei Monaten wieder erreichte.

Interessanterweise passieren Ringbandrisse überwiegend beim Trainieren in der Kletterhalle, "seltener bei langen alpinen Routen", so der Arzt. "In der Halle wird oft trainingsmäßig am Limit geklettert", ergänzt Straub. Eine Rolle spielen auch Übermüdung und ungenügendes Aufwärmen vor dem Klettern, aber auch spezielle Grifftechniken wie der Einfingerlochgriff oder aufgestellte Fingerpositionen. "Es gibt Griffe, die voraussagbar Beschwerden machen", betont der Experte.

Manchmal macht sich ein Ringbandriss auch durch eine tastbar abgehobene Sehne bemerkbar. "Bei einem kompletten Ringbandriss tritt bei Abbeugung des Fingers die Sehne unter der Haut näher zur Oberfläche hervor, weil sie nicht mehr an der Unterlage fixiert ist", so Straub. In den meisten Fällen handelt es sich um einen isolierten Ringbandriss, es ist also nur eines der insgesamt vier bis fünf Ringbänder eines Fingers gerissen.

Diagnose durch Ultraschall oder MR

Diagnostische Gewissheit bringen Sonografie oder Magnetresonanz-Tomografie. "Im hochauflösenden Ultraschall stellt man den Abstand zur Beugesehne vom darunterliegenden Knochen fest, je weiter der Abstand, desto typischer ist ein Ringbandriss", erklärt Straub. Im normalen, also unverletzten Zustand beträgt der Abstand maximal zwei Millimeter, bei einem Ringbandriss vergrößert sich dieser auf vier. Bei der Magnetresonanz-Tomografie wird der betroffene Finger gebeugt und mit einem Widerstand, beispielsweise durch einen Greifblock, belastet, wodurch die gerissene Sehne sichtbar nach oben steigt.

Die Therapie gestaltet sich unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um eine isolierte oder mehrfache Ringbandruptur handelt. Die isolierte Verletzung wird konservativ behandelt, beispielsweise durch Ruhigstellung auf einer Fingerschiene und anschließende Versorgung mit einem Tapeverband. Folge- oder Gelenksschäden sind nicht zu erwarten.

Bei einem zwei- oder dreifachen Ringbandriss wird ein operativer Eingriff empfohlen. "Die Stabilität der Sehnen ist dann so vermindert, dass es konservativ schlecht therapiert werden kann", betont Straub.

Kletterpause einlegen

In jedem Fall ist mit Klettern erst einmal Schluss. Dabei variiert die Zeit, in der nicht oder nur eingeschränkt geklettert werden kann. "Bei manchen dauert es acht Wochen, ich hatte auch noch drei Monate nach dem Ringbandriss Beschwerden", erzählt Straub. Für Profikletterer, die im Spitzensport und Wettkampfklettern tätig sind, ist das unter Umständen zu lang, deshalb ist hier auch bei isolierten Rissen eine Operation häufig die Therapie der Wahl. Straub betont, dass die Operation unabhängig vom Zeitpunkt der Ringbandverletzung erfolgt: "Ob eine Stunde oder ein Jahr danach, die Operationstechnik ist dieselbe." Konkret wird bei dieser sogenannten Ringbandplastik körpereigenes Sehnengewebe aus dem Handgelenk entnommen und damit die Verbindung des Ringbandes wiederhergestellt. "Das Ringband kann nicht direkt zusammengenäht werden, weil es sonst seine Elastizität verliert und der Finger in der Folge steif bleibt", so Straub.

Präventiv rät der Experte dazu, Leisten oder Griffe am Fels mit hängenden Fingern zu halten, räumt aber auch ein, dass dies bei schwierigen Klettergraden praktisch unmöglich ist. Eine richtige vorbeugende Maßnahme gebe es daher nicht. Beim Training auf das Aufwärmen nicht zu vergessen und nicht übermüdet zu klettern empfiehlt er aber allemal. (Güler Alkan, derStandard.at, 1.5.2012)