Susanne Fink vergleicht kulturell bedingte Krankheiten.

Foto: M. Wiesner

Was macht eine Pharmaziestudentin mit Hang zum Sozialen, die ihr Berufsleben nicht in einer Apotheke verbringen möchte? Sie sucht sich ein anderes Studium. Oder setzt sich in ein Flugzeug nach Neuseeland, um dort eine Diplomarbeit in "Social Pharmacy" zu schreiben. Susanne Fink hat sich für Letzteres entschieden - weil sie für ihre Ziele auch mal einen Umweg in Kauf nimmt. Wenn nötig 19.000 Kilometer entfernt ans andere Ende der Welt.

Was aber war der Beweggrund? "Als ich vor Jahren die Summer School am Institute of Medical Plant Development in Peking besuchte und auf meinen Ausflügen das unsägliche Elend in diesem Land sah, hat sich meine Einstellung zum Studium verändert. Ich wollte mit meiner künftigen Arbeit als Pharmazeutin wenigstens einen kleinen Betrag zur Verbesserung der sozialen Verhältnisse leisten." Eine Ambition, der in Österreich, zumindest im Rahmen der klinischen Pharmazie, enge Grenzen gesetzt sind.

"Social Pharmacy" als eigene Wissenschaftsdisziplin gibt es hierzulande noch nicht. Inhaltlich geht es in diesem sehr interdisziplinären neuen Forschungsfeld - ähnlich wie in der Sozialmedizin oder bei Public Health - darum, Fragestellungen zu Gesundheit und Krankheit auf Individuen, Gruppen und ganze Gesellschaften anzuwenden.

Zu diesem Zweck werden Methoden aus den Sozialwissenschaften für naturwissenschaftliche Themen eingesetzt. In den USA, Großbritannien, Asien und ganz besonders Australien ist "Social Pharmacy" bereits an vielen Universitäten verankert. "Ich habe ich mich kurzentschlossen nach Neuseeland aufgemacht, um dort meine Diplomarbeit zu schreiben", berichtet die 29-jährige Grazerin. Und weil sich das Glück bekanntlich auf die Seite der Mutigen schlägt, hat sie auch bald eine Professorin gefunden, unter deren Fittichen sie ihre Arbeit beginnen konnte.

Das Ergebnis war eine Vergleichsstudie über die Gesundheitssysteme in Österreich, Neuseeland und Nepal, von wo ihre Betreuerin gerade frische Daten mitgebracht hatte. Das Angebot, auch ihre Doktorarbeit - voll finanziert - an der Universität von Otago in Neuseeland zu schreiben, lehnte Susanne Fink zwar aus Herzensgründen ab, doch die ozeanische Saat ging trotzdem auf: Seit 2009 schreibt sie am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Grazer Karl-Franzens-Uni an ihrer Dissertation "Reducing Barriers - Migrations, Minor Ailments and Medicines".

Darin untersucht die Nachwuchsforscherin das Verhalten von zwei Migrantengenerationen unterschiedlicher Herkunft bei kleineren gesundheitlichen Beschwerden, wobei die Suche nach kulturell bedingten Verhaltensmustern im Zentrum steht. "Letztlich geht es mir darum, die medizinische Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern, indem ich Vorschläge für eine Anpassung des Gesundheitssystems an die speziellen Bedürfnisse der jeweiligen ethnischen Gruppe mache."

Eine hochaktuelle Forschungsarbeit in Hinblick sowohl auf ein effizienteres Gesundheitssystem als auch auf die viel beschworene Diversität in unserer multiethnischen Gesellschaft. Und auch eine zielstrebig verfolgte Pionierarbeit, die vom Universitätsrat vergangenen Herbst mit einem 24.000-Euro-Stipendium gefördert wurde. (Doris Griesser, DER STANDARD, 02.05.2012)