"Wenn von einem Forschungsprojekt nach drei Monaten Ergebnisse verlangt werden, kann man nur milde lächeln", sagt Sanofi-Österreich-Geschäftsführer Roman Gamerith.

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"Der Staat gibt viermal mehr für angewandte als für Grundlagenforschung aus. Das kann nicht gut sein", sagt Kurt Grünewald, Wissenschaftssprecher der Grünen.

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"Mehr als 95 Prozent unseres Budgets vom Ministerium fließen in Personalkosten", rechnet Markus Müller von der Med-Uni Wien vor. Ohne Drittmittel wäre Forschung unmöglich.

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"Monatlich werden wir nach einem Pressespiegel gefragt", erzählt Barbara Obermayer-Pietsch von der Med-Uni Graz von der Ungeduld, die der Forschung entgegengebracht wird.

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"Innovation wird nur von der Grundlagenforschung kommen", sagt Günter Burkert vom Wissenschaftsministerium und fordert einen längeren Atem in der Forschungsförderung ein.

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Eine "Standpunkte"-Diskussion über ungeduldige Politik, Drittmitteldimensionen, eine "kritische Masse" und darüber, wie uns Kunst weiterhilft.

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"Forschung entsteht primär aus einem Spieltrieb und hat nichts mit industriellen Interessen zu tun", sagt Markus Müller, Vizerektor der Med-Uni Wien. Ein denkwürdiger Satz, der während der Diskussion " Forschung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Industrie" fiel. der Standard und das Pharmaunternehmen Sanofi luden im Rahmen der Langen Nacht der Forschung zur "Standpunkte"-Diskussion. Standard-Redakteur Eric Frey moderierte.

Müller unterscheidet zwischen "Newtonian Research", zweckungebundener Grundlagenforschung und einer angewandten, nutzbaren "Baconian Research" .

Diese Unterscheidung macht auch die österreichische Förderungslandschaft: Die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) ist für angewandte Forschung, der Wissenschaftsfonds FWF für Grundlagenforschung zuständig.

Durch die Finanzkrise sei Erstere zunehmend in den Vordergrund gerückt. " Die Uni darf nicht zur Werkbank der Industrie werden, muss aber über der Anwendungen ihres Spieltriebes nachdenken, die der Gesellschaft zugutekommen", betont Müller die Wichtigkeit beider Ansätze. Barbara Obermayer-Pietsch von der Med-Uni Graz ist es wichtig, Auftragsforschung von gesponserter Forschung zu unterscheiden. Kooperation komme durch Netzwerke zustande. Um Klarheit zu schaffen, spricht sie sich für eine Datenbank aus, die verzeichnet, wer in welchem Gebiet forscht.

Nicht "reine Pillendreher, sondern Partner im Gesundheitswesen will Sanofi sein", sagt Roman Gamerith, Geschäftsführer des Pharmakonzerns in Österreich. Als Unternehmen stehen ökonomische Interessen im Vordergrund. Im Rahmen der Sanofi-Stiftung, die bald 50 Jahre alt wird, werde aber völlig ohne Einflussnahme Grundlagenforschung finanziert. Derartige Modelle begrüßt Kurt Grünewald, Wissenschaftssprecher der Grünen. Kritisch sieht er, dass der Staat viermal mehr Geld für angewandte Forschung ausgibt als für Grundlagenforschung. Noch mehr Zahlen liefert Vizerektor Müller. Mehr als 95 Prozent des Budgets, das die Med-Uni Wien vom Ministerium bekomme, fließen in Personalkosten, rechnet er vor. "Ohne Drittmittel hätten wir keinen Spielraum für Forschung."

Gewagtere Zugänge

Grünewald forderte, auch andere Wissenschaften wie eine kritische Soziologie und Politologie nicht unterzubewerten. Günter Burkert vom Wissenschaftsministerium will auch die Kunst ins Boot holen. Sie sei eine Möglichkeit für Subjektivität und dafür, "das Unmögliche zu denken" . "Innovation wird nur von der Grundlagenforschung kommen", spricht er sich für gewagtere Zugänge aus.

Das ist der Wirtschaft nicht so leicht zu verkaufen. Denn das Prinzip sei: "Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu", sagt Müller. "Die Industrie geht dorthin, wo es eine kritische Masse an Kreativität gibt." Österreich habe hier ein Strukturproblem. Die Politik verhindere, dass sich solche kritischen Massen bilden.

Was der Politik hierzulande außerdem fehle, ist Geduld. Darin waren sich Grünewald und Gamerith einig. Wenn man nach drei Monaten Ergebnisse eines Forschungsprojekts wolle, "kann man nur milde Lächeln", sagt Gamerith. "Oder toben", so der grüne Wissenschaftssprecher.

Obermayer-Pietsch bestätigt diese Ungeduld. Monatlich bekäme die Med-Uni Anfragen nach ihrem Pressespiegel. Auch Burkert plädiert für einen langen Atem für die Forschung. Erneut ruft er die Kunst an: "Geht's hackeln", habe Hermann Nitsch seinen schaffensblockierten Schülern geraten. Denn in langfristiger Beschäftigung entstehe Kreativität. (Julia Grillmayr , DER STANDARD, 02.05.2012)