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Stilllstand vor den Neuwahlen - in Griechenland wird jetzt vor allem eines: Abgewartet.

Foto: Reuters/Kolesidis

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Christian Gonsa: "Man kann den Leuten nur schwer erklären, dass dieselben Politiker, die das Land in den Ruin geführt haben, jetzt den Staat retten sollen."

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Österreichische Unternehmen, die derzeit bei der Außenhandelsstelle der WKO in Athen vorstellig werden, holen sich vor allem Rat, wie sie sich gegen Zahlungsausfall absichern, erklärt Christian Gonsa im derStandard.at-Interview. Er berichtet von Stillstand bei Reformen, Firmen, die nicht flüssig sind, und Menschen, denen man erklären muss, warum jene Politiker, die Griechenland in den Ruin geführt haben, jetzt den Staat retten sollen.

derStandard.at: Jeden Tag werden rund um Griechenland neue Krisenszenarien an die Wand gemalt. Steigt angesichts der unsicheren Lage die Unsicherheit bei den österreichischen Firmen?

Gonsa: Sehr viele sind das ohnedies nicht. Wir wissen von rund 35 Niederlassungen. Die Österreicher gehen mehr nach Osteuropa. Wir merken schon Verunsicherung. Man muss vielleicht anmerken, dass Österreicher ohnehin schon vorsichtiger agieren. Sie verlangen schon seit ein paar Jahren bei Neugeschäften Vorauszahlung. So gesehen hat sich durch die politische Verunsicherung in den letzten Wochen nicht viel geändert.

derStandard.at: Sehr viele deutsche Unternehmen haben sehr hohe Außenstände, auf denen sie jetzt sitzen bleiben. Wie wirkt sich die schlechte Wirtschaftslage auf die Zahlungsmoral aus?

Gonsa: Die Zahlung bei griechischen Unternehmen funktioniert noch. Eine unserer Hauptaufgaben in den letzten Monaten und Jahren ist die Eintreibung von Außenständen. Das hat zugenommen. Aber im Großen und Ganzen funktioniert das noch. Das Zahlungsziel hat sich allerdings verlängert. Man muss jetzt im Durchschnitt mit 150 Tagen rechnen, bis bezahlt wird. Davor waren es 90 Tage.

derStandard.at: Ein großer Schuldner ist der Staat, leiden darunter auch heimische Firmen?

Gonsa: Vor allem die staatlichen Krankenhäuser schulden viel. Das ist auch für österreichische Unternehmen ein Problem. Insgesamt hat der Staat letzten Monat ausländischen und griechischen Lieferanten rund sechs Milliarden Euro geschuldet. Wie viel davon auf österreichische Firmen entfällt, ist mir aber nicht bekannt.

derStandard.at: Mit welchen Problemen sind die heimischen Firmen konfrontiert?

Gonsa: Die beschäftigt natürlich, was man unternehmen kann, um sich gegen Zahlungsausfälle abzusichern.

derStandard.at: Denken Firmen darüber nach, angesichts der Lage das Land zu verlassen?

Gonsa: An sich nicht. Viele von ihnen sind schon jahrzehntelang in Griechenland. Leute, die gut im Markt integriert sind, können das Risiko abschätzen und bleiben meistens. Vor zwei Jahren wollte sich allerdings Hofer/Aldi hier ansiedeln und ist wieder abgezogen. Die haben auch eine Reihe von Firmen mitgenommen.

derStandard.at: Was ist das Hauptproblem für die Wirtschaftstreibenden derzeit?

Gonsa: Viele griechische Firmen sind einfach nicht flüssig. Sie kriegen keine Kredite mehr, weil die Banken einen so engen Kreditrahmen haben, weil sie selbst nicht flüssig sind und sich von der EZB die Gelder ausborgen müssen. Nachdem jetzt die sogenannte Rekapitalisierung der Banken nach dem Schuldenschnitt begonnen hat, hoffen wir, dass das besser wird. Da werden 18 Milliarden in die Banken gepumpt. Das könnte positive Effekte auf das Wirtschaftsleben haben. Aber man muss bis zur Wahl abwarten. Bis 17. Juni wird nicht viel passieren. Bis dahin steht alles still.

derStandard.at: Europa hat mittlerweile erkannt, dass neben Sparen auch Stimuli notwendig sind. In gebotenem Ausmaß?

Gonsa: Wenn man bedenkt, dass das Programm für öffentliche Investitionen dieses und letztes Jahr teilweise auch Opfer der Sparmaßnahmen geworden ist, sollte man schon versuchen, zumindest die EU-Projekte weiterzutreiben. Auf der einen Seite Ausgaben zu sparen, Strukturen zu reformieren und auf der anderen Seite Kapital freizubekommen für Investitionen, das müsste parallel laufen. Aber im letzten Monat ist nicht viel weitergegangen. Durch die Übergangsregierung steht wieder alles still, was schon begonnen hat zu greifen. Zum Beispiel wurde das Privatisierungsprogramm, das bis 2015 50 Milliarden in die Kassen bringen soll, wieder auf Eis gelegt. Die Ziele für 2012 werden höchstwahrscheinlich nicht mehr erreicht werden.

derStandard.at: Was wird am 17. Juni passieren?

Gonsa: Nach den letzten Umfragen ist die konservative Partei leicht vorne. Sie haben sich nicht für eine Anfechtung des Kreditvertrags ausgesprochen. Aber auch da muss man die Zeit nach der Wahl abwarten. Auch sie werden vielleicht Wasser in ihren Wein gießen. Auf jeden Fall ist es zu früh, dass man Katastrophenszenarien an die Wand malt.

derStandard.at: Was wünschen sich die Menschen in Griechenland jetzt nach Ihrer Einschätzung?

Gonsa: Die überwältigende Mehrheit will in der Eurozone bleiben. Das belegen auch Umfragen. Aber die Spaßmaßnahmen werden als zu hart und ungerecht empfunden. Man muss natürlich berücksichtigen, dass schon mehr als 20 Prozent der Menschen arbeitslos sind, die Pensionen gekürzt werden und dem Mittelstand schön langsam die Luft ausgeht. Man kann den Leuten auch nur schwer erklären, dass dieselben Politiker, die das Land in den Ruin geführt haben, jetzt den Staat retten sollen.

derStandard.at: Wie erleben die Menschen in Griechenland die europäische Diskussion? Stichwort: über die Verhältnisse gelebt, keine Steuer- oder Arbeitsmoral.

Gonsa: Als Staat hat Griechenland über seine Verhältnisse gelebt. Aber dafür kann der einzelne Bürger nichts. Dass hier nicht differenziert wird, empfinden die Menschen als ungerecht. (Regina Bruckner, derStandard.at, 1.6.2012)