Bild nicht mehr verfügbar.

János Áder (2. v. re.) mit Gattin Anita Herczegh bei der Amtseinführung, daneben Premier Viktor Orbán mit Gattin Anikó Lévai; ganz rechts Parlamentspräsident László Kövér.

Foto: APA/EPA/Beliczay

Der Besuch erfolgt zur Halbzeit der umstrittenen rechtsnationalen Regierung unter Premier Viktor Orbán.

 

Ungarns neuer Präsident János Áder, der am Freitag in Wien mit Bundespräsident Heinz Fischer zusammentrifft, amtiert erst seit 10. Mai. Der 53-Jährige trat die Nachfolge von Pál Schmitt an, der nach einem Plagiatsskandal ruhmlos aus dem Amt geschieden war.

Die Visite fällt genau in die Mitte der Legislaturperiode, die durch die Ministerpräsidentschaft des rechtsnationalen Viktor Orbán und die parlamentarische Zweidrittelmehrheit seiner Partei Fidesz (Bund Junger Demokraten, offiziell Fidesz-MPSZ) definiert ist. Nach seinem Wahltriumph 2010 sah sich Orbán als Anführer einer "Wahlkabinen-Revolution", die ihn zum totalen Umbau des Staats berechtigen würde.

Mediengesetz entschärft

Zwei Jahre später sind die Fundamente des neuen Staatsgefüges gelegt. Die neue Verfassung bezieht sich auf Gott, Vaterland und Christentum, wenngleich sie auch den europäischen Grundrechtekatalog übernimmt. Das neue Mediengesetz versucht, die Meinungsfreiheit einzuschränken, stieß aber auf Kritik der EU und selbst des ungarischen Verfassungsgerichtshofes. Erst vergangene Woche musste das Parlament nachbessern und besonders umstrittene Passagen entfernen.

Im Staatsapparat kam es zu massiven Säuberungen. Wegen der Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz und des Datenschutzes leitete die EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren ein. Das ebenfalls stark kritisierte Nationalbankgesetz, das nach Ansicht von EU und IWF die Unabhängigkeit der Notenbank gefährdet hätte, wurde vom Parlament am Dienstag modifiziert.

Ungarns wirtschaftliche Lage ist schlechter als 2010, und das nicht nur wegen der europäischen Krise. Die Staatsverschuldung nahm praktisch nicht ab, obwohl Orbán die private Säule der Rentenversicherung beseitigte und die angesparten Milliarden in den Staatssäckel umleitete. Die Arbeitslosigkeit stieg, die Reallöhne sanken. Der Forint verlor mehr als zehn Prozent an Wert.

Áder schlug bei seinem Amtsantritt ungewohnt konziliante Töne an. Die Ungarn sollten sich miteinander vertragen und einander respektieren. Er werde keine "fehlerhaften Gesetze" unterschreiben, sagte der versierte Fachjurist wenig später in einem Interview und spielte damit auf die Pannen an, die in der Flut der durchs Parlament gepeitschten neuen Gesetze passiert sind. Am Donnerstag wies der Präsident die Novelle zum Mediengesetz wegen eines Formfehlers zurück an die Volksvertretung.

Trotz früherer persönlicher Unstimmigkeiten mit dem Fidesz-Chef steht Áder fest hinter dem "Projekt Orbán". Noch als Europaabgeordneter war er der federführende Autor jener Justizreform, die derzeit Gegenstand eines EU-Verfahrens ist, und eines neuen Wahlgesetzes, das seiner Partei nach Ansicht von Wahlforschern beim nächsten Urnengang beträchtliche Vorteile zuschanzt. (Gregor Mayer aus Budapest /DER STANDARD, 1.6.2012)