ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon hat keine Angst vor einer Verwässerung der Ziele des Bildungsvolksbegehrens.

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Warum Werner Amon die AHS dennoch erhalten möchte und Uwe Scheuch den Abgang empfiehlt, sagte er Karin Riss. 

STANDARD: Sie kommen gerade von der letzten Sitzung des Sonderausschusses zum Bildungsvolksbegehren. Welche Forderungen werden konkret umgesetzt?

Amon: Wir haben eine Reihe von Punkten diskutiert, die entscheidend sind für die Weiterentwicklung des Bildungssystems. Dazu zählen insbesondere die Frage der Lehrerbildung, die Reform der Schulverwaltung, die Aufwertung der Frühkindpädagogik. Da versuchen wir, gemeinsame Entschließungsanträge zu formulieren.

STANDARD: Warum wirft Hannes Androsch (SPÖ) der Regierung dann Heuchelei vor, Ihrem Parteichef die "Lähmung" von Reformen?

Amon: Ich verstehe das in keinster Weise. Im Ausschuss hat er das sehr konstruktive Klima gelobt.

STANDARD: Entschließungsanträge haben aber deutlich weniger Verbindlichkeit als Initiativanträge, sind lediglich eine Empfehlung an die Regierung. Kann darin der Grund der Un zufriedenheit sein?

Amon: Ich denke, Herr Androsch war lange genug in der Politik, um zu wissen, dass so komplexe Materien unmöglich jemandem - nämlich Ländern und Gemeinden - ohne Begutachtung und Verhandlung als Gesetzesinitiativen vor die Nase gesetzt werden können.

STANDARD: Vielleicht ist Androsch schon so lange in der Politik, dass er weiß, die guten Absichten könnten schnell verwässert werden?

Amon: Ich habe keine Angst, dass es verwässert wird. Denn es gibt in den angesprochenen Punkten zum Teil wirklich große Übereinstimmung. Wir sollten einige davon mit Fristen versehen, damit die jedenfalls in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden.

STANDARD: Bei einem ganz zentralen Themenbereich bewegt sich nichts: Manche nennen ihn "gemeinsame Schule", manche "Gesamtschule", manche, wie ihre Kollegin Beatrix Karl, "Gymnasium für alle". Was ist Ihr größtes Bedenken bei dieser Schulform?

Amon: Wir haben diese Frage entschieden, indem wir die Hauptschulen weiterentwickeln zu Neuen Mittelschulen, in denen wir neue, pädagogische Formen anbieten werden. Das Gymnasium bleibt als achtjähriges Bildungskontinuum erhalten.

STANDARD: Das ist für viele ein Widerspruch in sich.

Amon: Den sehe ich nicht. Wir bieten für Kinder, die eine unterschiedliche Ausgangssituation haben, ein unterschiedliches Angebot, das Rücksicht nimmt auf die kognitiven Fähigkeiten und Interessen des Kindes.

STANDARD: Noch einmal: Was spricht dagegen, diese Förderung in einer gemeinsamen Schule zu realisieren?

Amon: Es spricht viel dafür, die AHS als sehr gute Schule zu erhalten.

STANDARD: Ist das Gymnasium wirklich so gut? Nachhilfeinstitute boomen, die Pisa-Ergebnisse sind schlecht.

Amon: Es gibt natürlich Gesamtschulen, die individuelle Förderung gut leisten, es gibt aber auch Modelle von Gesamtschulen, die das nicht gut leisten, die bei den Pisa-Tests hinter uns liegen.

STANDARD: Sie argumentieren auch, dass "viele Kinder scheitern, weil sie überfordert sind, weil sie in der falschen Schule sitzen, weil die Auswahl nicht danach getroffen wird, wie leistungsfähig sie sind". Was ist so abwegig daran, dieses "Scheitern" am Unterricht, an umstrittenen Leistungskriterien, an einem auf Exklusion ausgerichteten Schulsystem festzumachen?

Amon: Das ist ja kein Widerspruch. Ich glaube auch, dass wir neue Formen der Pädagogik und inklusiven Unterricht anwenden müssen. Das tun wir in der Neuen Mittelschule. Aber Kinder zerbrechen auch sehr oft am Ehrgeiz der Eltern. Das ist nicht gut. Es geht darum, für Kinder in der jeweiligen Lebenssituation das beste pädagogische Angebot sicherzustellen.

STANDARD: In einem Radiointerview sagen Sie zur Gemeinsamen Schule, Sie wollen den Vollausbau der NMS abwarten, "vielleicht diskutieren wir dann weiter". Ist das nicht zynisch? Was ist mit jenen, deren Lebensläufe bereits jetzt geschrieben werden?

Amon: Das möchte ich scharf zurückweisen. Ich gehe davon aus, dass sich jeder Bildungspolitiker bemüht, das Beste für die Schüler zu erreichen. Der Lebenslauf jedes Menschen wird in dem Umfeld geschrieben, in dem er sich bewegt und in dem er sich entwickeln kann. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir diese Dualität jetzt beibehalten.

STANDARD: Ähnlich spät reagiert die ÖVP beim Thema Muttersprachenunterricht. Experten fordern das seit Jahren, Sie jetzt endlich auch.

Amon: Zunächst ist einmal die Unterrichtssprache zu beherrschen. Deshalb könnte es Sinn machen, die Unterrichtssprache als Bestandteil der Schulreife zu definieren. Wenn es begleitend muttersprachlichen Unterricht gibt, ist dagegen nichts zu sagen.

STANDARD: Was halten Sie denn vom pädagogischen Verständnis von Uwe Scheuch? Der Kärntner Bildungslandesrat hält "a klane Tetschn" für "sinnvoll und gut".

Amon: Das halte ich für keine geeignete pädagogische Interventionsmöglichkeit. Scheuchs Fraktion sollte sich überlegen, ob er im Schulreferat nicht überfordert ist.

STANDARD: Sollen die jetzt erstmals getesteten Bildungsstandards künftig veröffentlicht werden?

Amon: Ja, aber anonymisiert. Von einem Ranking der Schulen halte ich nichts. (Karin Riss, DER STANDARD, 1.6.2012)