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Persönlich vorsprechen, anstellen, warten ...

Ich bin Ausländer. Seit bald zehn Jahren lebe ich mit Unterbrechungen in Österreich. Im Großen und Ganzen lebe ich gern hier. Österreich hat schöne Landschaften, es gewährleistet Sicherheit und das Kulturleben ist reich. Im Allgemeinen lässt es mich auch in Ruhe.

Im Besonderen aber muss ich mich immer wieder um meine Aufenthaltsgenehmigung kümmern. Das heißt hier im Land der Titel auch Titel. Im Gegensatz zu anderen Verwaltungsangelegenheiten, die man hier schriftlich oder sogar per E-Mail, meist auch durch Vertreter erledigen kann, ist es bei diesem Titel nicht der Fall, da muss man höchstpersönlich daherkommen. Für mich spielt sich das im Erdgeschoß des Hauses Friedrich-Schmidt-Platz 3 ab. Es ist das ehemalige Gebäude des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen. Jetzt werden Ausländer hier vermessen.

Es ist ein älteres Amtsgebäude, in dem das k. u. k. Militärgeographische Institut beheimatet war. Leider ist dieses Gebäude, insbesondere zu ebener Erde, kein Schmuckkasterl unserer Stadt. Ich fühle mich hier bei meinen Kontakten mit den Bediensteten nicht gerade wohl. Als ich das erste Mal herkam, wollte ich schon sagen: "Lasset alle Hoffnung fahren!", aber so arg ist es nicht. Freilich ist es nicht eine Visitenkarte der Stadt Wien. Es schaut eben wie ein Amtsgebäude aus und ist es auch.

Links im Erdgeschoß hat man sich einzufinden. Man will, wenn man reinkommt, ja nicht hoch hinaus. Diesem Stimmungszustand kommt das Amt entgegen. Wenn man erhobenen Hauptes einträte, könnte man ja auch nicht die Aufschriften auf dem Boden lesen: zum Beispiel "Anmeldung". Die Orientierungen sind immerhin bodennah. Eine bürokratische Originalität hängt an der Wand: Ein Alphabet ausländisch bezeichneter Wiener Verkehrsflächen: Argentinierstraße ... Mexikoplatz ... Türkenstraße ... Auf allen Anschlägen steht geschrieben "Willkommen in Wien", auch wenn es nicht gerade passt.

In diesem Vorraum, der einem Wartezimmer gleicht, stehen zwei dutzend Sessel, die meist besetzt sind. Die Sitzenden, darunter viele Frauen, auch solche mit Kindern, sind ein Spiegelbild der Ausländer von Wien: Bosnier, Chinesen, Kroaten, Philippiner, Afrikaner, Pakistaner, Japaner, Srilankesen ... Das Bild ändert sich je nach Zuwanderungsdichte. Man grüßt nicht wie im Wartezimmer eines Arztes, sondern wie im Wartesaal eines Bahnhofs.

Das wichtigste ist ein kleines Kästchen an der Wand. Ich habe es das erste Mal übersehen und wurde daher übersehen. Denn nur wenn man dort auf einen Knopf drückt, erhält man einen Zettel und eine Nummer. Das sind die "Wartemarken". Oben an der Wand erscheinen laufend Nummern. Wenn die eigene Nummer erscheint, darf man in ein Zimmer treten. Da beginnt das eigentliche Verwaltungsverfahren. Das erste Mal hatte ich vier Beilagen mitzubringen, jetzt insgesamt zwölf, wie das neueste Formular es befiehlt. Obwohl meine Muttersprache Deutsch ist, muss ich nun auch eine Bestätigung über meine Deutschkenntnisse (P3) beibringen, außerdem Bestätigungen über die letzten drei Mietzinszahlungen samt Mietvertrag, Bestätigung vom Kreditschutzverband, dass ich keinen Kredit habe, Bestätigung von der Sozialversicherung - die E-Card genügt nicht - einen Nachweis über meine Selbstversorgungsfähigkeit, meinen Pass und meinen letzten Titel.

Seit der jüngsten Gesetzesnovelle 2011 muss ich auch meine Fingerabdrücke abgeben. Es wird immer komplizierter. Oh, ihr Gesetzgeber, ich weiß, dass ihr die Ausländer nicht mögt - aber muss alles immer schwieriger werden. Zugegeben, ich bin weder die Netrebko, noch ein Fußballer, aber müsst ihr alles sukzessive für uns schwerer machen?

"Waren bei Ihnen schon PolitikerInnen?" fragte ich die Verwaltungsangestellte das letzte Mal. „Na, um uns kümmert sich ja niemand! Sie san der erste, der sowas frogt." Ich habe nette Damen dort kennengelernt, auch nicht nette, die mich nach draußen verwiesen haben "Sie bleiben draußen!" Es dürfte hier häufig ein Wechsel stattfinden. Ich glaube niemand ist gern da weder die Parteien noch die Angestellten. Den Bediensteten möchte man sagen: "Ich bin nicht schuld, dass Sie hier tätig sind." Sie sind oft überfordert und fühlen sich vielfach nicht wohl. Kein Wunder, wenn die politischen Parteien noch nicht da waren und mir keine Reportage über die Vorgänge hier bekannt wurde. Freilich, es ist nicht schön hier, weder, wenn viele Leute da sind, noch wenn wenige da sind.

Die Stelle, die für die Stadt Wien durch ihr Dasein und ihre Tätigkeit gegenüber Ausländerinnen und Ausländern Werbung machen sollte, ist kein Ort der Öffentlichkeitsarbeit. Nicht jeder Mensch hat ein Interesse an Verwaltungsästhetik. Und für eines bin ich dankbar: Es wird weder ständig, noch von Zeit zu Zeit der Donauwalzer gespielt. Das findet an einem anderen Ort statt. Klug ist es, an dieser Stelle auch NeuösterreicherInnen einzusetzen, da diese meistens freundlicher sind als die Einheimischen. Die Worte "Sie bleim draußen! Wir mochen do unsa Orbeit, lossen'S uns in Rua und wortn's!" habe ich zweimal gehört. Ich wollte nur eine Auskunft. Aber es ist besser geworden, wahrscheinlich weil ich mich an manches gewöhnt habe.

Vielleicht kommt hier ein altes Verwaltungsprinzip zur Geltung: Unten müssen die Bediensteten bellen und manchmal beißen, oben sollen die Bediensteten besonders höflich und lieb sein. Aber oben war ich noch nicht. (Leserbeitrag von Ivo Pawlik, daStandard.at, 1.6.2012)