Was den Briten der Dressing Table war den Österreichern in den Boomjahren der 1940er- und 1950er-Jahre die Psyche: ein kleines Möbel mit einem schwenkbaren Spiegel, das in keinem Schlaf- oder Ankleidezimmer fehlen durfte, der ultimative Platz, an dem - die notwendigen Utensilien in Griffweite - das tägliche Styling vollzogen wurde. Eine zeitgemäße, formal recht reduzierte Version wechselte vergangene Woche im Zuge der Designauktion im Dorotheum den Besitzer: ein Musterbeispiel, nicht für den im Empire entwickelten Möbeltypus, sondern auch zum Thema Folgerecht und einer potenziellen Fehlinterpretation in der Praxis.
Übereifrige Österreicher?
Der Zuschlag erfolgte zum Limit von 15.000 Euro, inklusive Käufergebühr und Mehrwertsteuer lag der Preis bei 18.600 Euro. Der Entwurf stammt von Ulrike Lienbacher, einer österreichischen Designerin, die Ausführung 2010 erfolgte in einer limitierten Auflage von sieben Exemplaren, beim aktuellen handelte es sich um Nummer drei. Also addierte das Doro theum die prozentuell anfallende Folgerechtsgebühr von 600 Euro hinzu, womöglich zu Unrecht, wie Standard-Recherchen ergaben. Vermutlich nicht nur in diesem Fall, sondern im Übereifer der Einhaltung der Folgerechtsrichtlinien seit 2006 auch in vergleichbaren anderen.
Damals wurde in Österreich die von der EU verordnete Folgerechtsabgabe für lebende Künstler eingeführt, die seither an jedem weiteren Besitzerwechsel mitnaschen, seit Jänner 2012 nun auch die Erben von Künstlern (bis zu 70 Jahre nach deren Tod), jeweils ab einem Nettoverkaufswert von 2500 Euro. Bei "Originalen eines Werkes der bildenden Kunst", wie es §16b BGBI seit der letzten Novelle 2005 vorsieht. Nur fällt wirklich alles in die Kategorie bildende Kunst, etwa auch Kunstgewerbe und Design und damit sowohl Keramiken als auch Möbel? Im entsprechenden Bundesgesetz wurde keine detaillierte Definition formuliert und damit ein Interpretationsspielraum für die Umsetzung in der Praxis gebilligt: zugunsten der Schöpfer, jedoch zulasten der Konsumenten, da die Gebühren den Käufern verrechnet werden.
So wird das auch in England oder Deutschland umgesetzt, mit dem Unterschied, dass dort weder für Kunstgewerbe noch für Design Folgerechtsgebühren eingehoben bzw. abgeführt werden.
Einer der Knackpunkte in der unterschiedlichen Handhabung dürfte die Auslegung des Begriffs "original" sein, nicht als Gegenbegriff zu einer Fälschung oder Kopie, sondern aus urheberrechtlicher Sicht. Am Beispiel von Keramikköpfen wird erklärt, wie sie ab 1917 von der Wiener Werkstätte im Sortiment geführt wurden: Einzelstücke blieben eine Minderheit, von gelungenen Modellen wurden tatsächlich so viele hergestellt, wie man verkaufen konnte. Die Produktion lief quasi on demand und ohne eine vorab festgelegte Auflagenhöhe. Eine Skulptur vielleicht, jedenfalls ein seriell hergestelltes Kunstwerk, das entsprechend der Gesetzgebung definitiv nicht unter das Folgerecht fällt.
Insofern würde eingangs erwähnte Designpsyche aufgrund der limitierten Auflage unter die Folgerechtsbestimmung fallen, tut sie aktuellen Recherchen zufolge aber in anderen EU-Ländern nicht: In Deutschland und England gilt ein Möbel beispielsweise explizit nicht als Kunstwerk, da der Gebrauchswert überwiegt. Ganz offensichtlich tappt der österreichische Kunsthandel teilweise im Dunkeln und einzelne Fälle müssten womöglich in Musterprozessen geklärt werden.
Eine drohende Prozessflut zu verhindern, das hat sich jetzt eine Arbeitsgruppe gerichtlich beeideter und zertifizierter Kunstsachverständiger zum Ziel gesetzt. Über eine entsprechende Umfrage unter den Mitgliedern wird demnächst eine Art Kriterienkatalog ermittelt, der in der Praxis des Kunstmarkts Licht in das Folgerechtsdunkel bringen soll: zum Wohle der Administrierbarkeit der Vertreter des Kunsthandels und der Käufer jedenfalls. (kron, Album, DER STANDARD, 2./3.6.2012)