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Kann Österreich alleine bestehen? Experten bezweifeln das.

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Die Beschäftigten sammeln sich in Berlin. Sie fordern Solidarität von der deutschen Regierung.

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Ehingen/Berlin/Wien - Die Gläubiger haben das endgültige Aus für Schlecker besiegelt. Der Ausverkauf in den deutschen Filialen habe bereits begonnen, Kündigungen würden bis Ende Juni an rund 13.200 Mitarbeiter verschickt, teilte Schlecker am Freitag mit. Ende März hatten bereits 11.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Was das für die rund 3.000 Mitarbeiter in Österreich bedeutet, ist noch nicht klar, für das Österreich-Geschäft wird ein Käufer gesucht. "Ich glaube nicht an ein Überleben", übt sich der Handelsexperte Peter Schnedlitz von der Wirtschaftsuniversität Wien in Pessimismus.

Der Gläubigerausschuss sehe "keine Perspektive für die wirtschaftlich vertretbare Fortführung von Schlecker oder die Veräußerung des Gesamtkonzerns an einen Investor". Die Verhandlungen von Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz mit Karstadt-Retter Nicolas Berggruen und dem Finanzinvestor Cerberus blieben ohne Ergebnis. Letzterer wurde in Österreich durch den Einstieg in die Bawag bekannt. "Die Angebote waren nicht akzeptabel, weil sie deutlich unter einer Zerschlagung lagen", erklärte Geiwitz laut Mitteilung.

Eine Einigung hätte einem Wunder geglichen. Die mit über 4.400 unerwartet hohe Zahl an Kündigungsschutzklagen habe den Verkauf des Unternehmens als Ganzes unmöglich gemacht. Die Anzahl der Klagen hätte zu einem "negativen Kaufpreis" geführt, so Geiwitz.

AMS will Beschäftigten helfen

Die Gewerkschaft Verdi machte die Politik für die Pleite verantwortlich. Der rheinland-pfälzische Verdi-Chef Uwe Klemens erklärte, die deutsche Regierung habe die berufliche Existenz von 25.000 Frauen auf dem Gewissen.

Auch in Österreich müssen etwa 3.000 Mitarbeiter um ihre Jobs bangen. Die rechtlich eigenständige Österreich-Tochter mit ihren rund 930 Filialen könnte in die Insolvenzmasse fallen. In Österreich wird laut Firmenanwalt Klaus Ferdinand Lughofer mit drei Investoren verhandelt. Dabei soll es sich um Händler und Finanzinvestoren handeln.

AMS-Chef Johannes Kopf versuchte, die Ängste der Beschäftigten zu zerstreuen. "Wir werden das schaffen", sagte Kopf in der Mittags-"ZiB" des ORF. Das Arbeitsmarktservice würde damit umgehen können und Stiftungen schaffen, meinte Kopf.

In Österreich gehen die Mitarbeiter

Dass Österreich alleine überleben kann ("Stand-alone"), wie Management und Firmenanwalt stets betonen, wird von Insolvenzexperten stark bezweifelt. Zu groß sei die Abhängigkeit von Deutschland. Die entscheidende Frage sei, wie Österreich ohne Deutschland an Waren komme. Abgesehen davon müssten IT und Lagerverwaltung, die derzeit über Deutschland laufen, selbst aufgestellt werden.

Die miserable Lage der Kette hat auch zu Mitarbeiterflucht geführt. Seit über die mögliche Pleite diskutiert wird, hören viele Beschäftigte auf - freiwillig oder unfreiwillig. "Im Bundesland Salzburg verfolge ich schon seit längerem, dass sich einige Beschäftigte bereits selbst von Schlecker getrennt haben. Andererseits bemerken wir auch die Tatsache, dass langjährige Mitarbeiter unter Druck gekommen sind, von denen sich das Unternehmen selbst getrennt hat", sagte Privatangestellten-Gewerkschafter Gerald Forcher zu orf.at.

Die großen Schlecker-Gläubiger

Die insolvente Drogeriekette hat mehrere große Gläubiger. Dem Kreditversicherer Euler Hermes schuldet das Unternehmen rund 300 Millionen Euro. Weiterer Gläubiger ist der Finanzdienstleister Markant Finanz AG für die gleichnamige Lieferantengruppe. Die Höhe der Markant-Forderungen ist bisher unbekannt. Der Staat in Form der Agentur für Arbeit macht Ansprüche in Höhe von rund 150 Millionen Euro geltend. Bei den Forderungen handelt es sich unter anderem um das gezahlte Insolvenzgeld von Jänner bis März diesen Jahres. Insgesamt liegen die Schulden zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro, teilte Schlecker am Freitag mit.

Interesse an Auslandstöchtern

Für die Tochtergesellschaften IhrPlatz GmbH mit 490 Filialen und rund 3.990 Mitarbeitern sowie für Schlecker XL mit 342 Filialen und rund 1.110 Mitarbeitern gebe es "eine eigenständige Zukunft", so Schlecker am Freitag, ein "vorläufiger Kaufvertrag" mit einem nicht genannten Investor sei unterschrieben worden. Die internationalen Töchter werden hingegen schrittweise veräußert. Über den Verkaufstisch ging zuletzt Schleckers Frankreich-Geschäft, die Tochter Schlecker SNC ging an den französischen Supermarktkonzern Système U. Zuvor war auch das Tschechien-Geschäft an das Prager Handelsunternehmen P.K. Solvent verkauft worden. Bewegung gibt es auch in anderen Ländern: In Spanien zeigten Investoren reges Interesse, in Polen, Luxemburg, Belgien und Italien werde sondiert. (APA/Reuters/red, derStandard.at, 1.6.2012)