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Die Forschungsstrategie in Österreich ist laut dem Bericht verbesserungswürdig.

Foto: apa/georg hochmuth

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Grafik: APA

Wien - Die Bundesregierung hat sich in der vor einem Jahr beschlossenen Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI) das Ziel gesetzt, bis 2020 zu den führenden europäischen Ländern im Innovationsbereich vorzustoßen. In seinem ersten, am Freitag veröffentlichten "Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs" ortet der Rat für Forschung und Technologieentwicklung allerdings eine Stagnation im Mittelfeld. Die Dynamik der Jahre 2000 bis 2008 sei verloren gegangen, "aus dem Aufholprozess ist ein Rückfallprozess geworden", sagte Forschungsrats-Chef Hannes Androsch. 

"In der Performance des Innovationssystems liegt Österreich im Vergleich relativ weit hinter den führenden Innovationsländern", heißt es in dem Bericht. Im Vergleich zu den Spitzenländern Schweden, Finnland, Deutschland und Dänemark gebe es "Optimierungspotenzial". Der Grund, dass Österreich etwa im EU-Innovationsanzeiger 2011 auf Platz acht zurückgefallen ist, sei "nicht die Verschlechterung der eigenen Performance, sondern die Tatsache, dass die europäischen Mitbewerber offenbar raschere Fortschritte machen". 

Neben einer Stärken- und Schwächenanalyse des heimischen Forschungssystems beobachtet der Forschungsrat auch die Umsetzung der Forschungsstrategie der Regierung und bewertet die getroffenen Maßnahmen. Vom RFT kommt grundsätzlich Lob für die Strategie, die im internationalen Vergleich "ungleich konkreter" und deren Zielsetzungen "ambitioniert" seien. Derzeit würden aber "die politischen Absichten nur unzureichend mit dem operativen politischen Umsetzungspotenzial korrelieren".

Mehr Mittel für die Forschung notwendig

Zudem sei eine Vielzahl der Maßnahmen der Strategie "nicht neu", sie würden sich "teilweise in einer unveränderten Fortschreibung bestehender Instrumente erschöpfen" - und das, obwohl "manche dieser Instrumente auch nach mehreren Jahren Laufzeit kaum nennenswerte Verbesserungen bewirkt haben". Der Forschungsrat beziffert den Anteil der bereits vor der Erstellung der Strategie existierenden und dann unverändert übernommenen Maßnahmen mit etwa einem Drittel der insgesamt über 100 Maßnahmen in dem Dokument. 

Für diese hat der RFT gemeinsam mit dem WIFO versucht, Indikatoren zur Messung der Zielerreichung zu finden. Die österreichischen Werte werden dabei mit dem Durchschnitt der vier innovationsstärksten EU-Länder verglichen und der zu erwartende mittelfristige Trend für Österreich eingeschätzt. Als "prioritär" bezeichnet der Forschungsrat die Forschungsfinanzierung, es fehle vor allem noch an Konzepten zur Steigerung des privaten Finanzierungsanteils der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (F&E). 

In Richtung Regierung mahnt Androsch mehr Mittel für die Forschung ein, ebenso das in der Strategie verankerte Forschungsfinanzierungsgesetz, das dem Forschungsbereich eine mittelfristige Finanzierungssicherheit geben soll. Die dafür notwendigen Mittel sind nach Ansicht Androschs durchaus da, "es gibt verschwendende Ausgabenblöcke, wo man leicht die Prioritäten ändern könnte, ohne gleich soziale Kälte ausbrechen zu lassen". 

Stärken und Schwächen

Als Stärken des heimischen Forschungssystems nennt der Bericht u.a. die "überdurchschnittlich hohe Entwicklungsdynamik der F&E-Quote", eine hohe wissenschaftliche Reputation ausgewählter Institute, einen überdurchschnittlich gestiegenen Output bei den wissenschaftlichen Publikationen, den hohen Internationalisierungsgrad der österreichischen Forschung sowie die gute Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. 

Dem gegenüberstehend hat der Forschungsrat deutlich mehr Schwächen des österreichischen FTI-Systems ausgemacht. Dazu zählen im Bereich Bildung die niedrige Hochschulzugangs- und die hohe Drop-Out-Quote, die niedrige Akademikerquote, ungenügende Koordination im tertiären Bildungssektor und die zu geringe Zahl an Abschlüssen in den sogenannten MINT-Fächern (u.a. Naturwissenschaften, Technik). Zudem sei Österreich kein attraktives Zielland für Forscher, die Unis würden bei internationalen Rankings schlecht abschneiden. Im Unternehmensbereich ortet der Forschungsrat Aufholbedarf bei der Innovationsleistung unter anderem aufgrund einer geringen Zahl an forschenden Firmen und fehlendes Risikokapital. 

Heimisches System zu komplex

Bei der politischen Steuerung kritisiert der RFT die Komplexität des heimischen FTI-Systems, die zu "Reibungsverlusten und Effizienzeinbußen" führt. Das Fördersystem sei wenig flexibel, es fehle eine "gesamthafte Betrachtung der eingesetzten Instrumente mit Blick auf deren gemeinsamen Beitrag im nationalen Innovationssystem und damit verbunden eine klare Kompetenzaufteilung zwischen den verantwortlichen Ministerien". Auch bei den Internationalisierungsbestrebungen fehle eine abgestimmte Strategie. 

Am deutlichsten fällt die Kritik des Rates bei der Finanzierung aus: "Quotenziel verfehlt" meint der RFT zur Absicht der Regierung, die Forschungsquote bis 2020 auf 3,76 Prozent zu erhöhen - dafür müssten bei einem jährlichen BIP-Wachstum von 3,4 Prozent die F&E-Ausgaben von 2011 bis 2020 im Schnitt um 6,5 Prozent wachsen. Auch vom Ziel, den privaten Anteil der Forschungsausgaben auf 66 bis 70 Prozent zu steigern, sei man "weit entfernt." "Um zu den innovativsten Forschungsnationen aufzuschließen, ist die ins Stocken geratene Dynamik wieder zu beschleunigen", heißt es in dem Bericht, in dem auch die im internationalen Vergleich unterdurchschnittliche Finanzierungssituation des tertiären Sektors sowie der Grundlagenforschung kritisiert wird. 

Der Bericht des RFT soll künftig jährlich parallel mit dem Forschungs- und Technologiebericht der Regierung dem Parlament zur Verfügung gestellt werden. Den Forschungs- und Technologiebericht wollen die zuständigen Minister am kommenden Montag vorstellen. (APA, 1.6.2012)