1920-21 schuf Albin Egger-Lienz "Das Tischgebet", das 1922 via Venedig in eine Sammlung nach Mailand verkauft wurde. Nun fand das Gemälde in Österreich eine neue Heimat.

Foto: Schütz Fine Art

Einblick in den Raum der Venedig- Ausstellung 1922, unter den gezeigten Arbeiten befand sich auch "Das Tisch- gebet" (1920-21).

Foto: Schütz Fine Art

Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast, dürfte eine der gängigeren Assoziationen angesichts dieses Gemäldes von Albin Egger-Lienz sein. Manche meinen, das Gemurmel der in ihrer gläubigen Besinnung versunkenen Personen zu hören, andere deuten Stille in ihrer absolutesten Form. Ein, zwei oder auch mehr tägliche Vaterunser, darin inkludiert die zentrale Bitte (Unser tägliches Brot gib uns heute) und die Bereitschaft zu dulden (Dein Wille geschehe), alles, eben auch die leere Speisenschüssel und die Brotlade ohne Inhalt.

Dazu ein überaus bescheidenes Interieur, weit und breit kein Zierwerk, nicht einmal Stühle. Ein mildes Licht erfüllt die Stube und nimmt der Tristesse die Schärfe, verleiht dem ganzen etwas Mystisches, betont durch die für den Künstler charakteristische Farbpalette. Ein Raum, der vom Geist der Andacht tönt, hatte er es selbst genannt. Ein karger Alltag in Um bra jedenfalls. Es gibt, wenn auch nicht zuhauf, so doch weitaus bekömmlichere Motive im Œuvre von Albin als dieses.

Vielgelobter Gebirgler

Ende 1920 hatte er im Vorfeld zu einer Ausstellung in Venedig daran zu arbeiten begonnen, wovon die eine oder andere Erwähnung in seiner Korrespondenz zeugt: "Ich male jetzt ein Tischgebet. Dem seelischen Gehalt des Themas konnte ich nur durch rein Formales beikommen. Raum, Farbe, senkrechte, waagrechte, schräge Linien. Aber der Stoff bildet die Grundlage zur Bildidee - und das Erlebnis überhaupt", schrieb er im April 1921 an seinen ehemaligen Schüler Rudolf Wacker.

Im Zuge der XIII. Biennale Internazionale d'arte di Venezia hatte man Egger-Lienz in der Italien-Sektion einen eigenen Raum gewidmet, und seine Arbeiten fanden Gefallen, auch in der zeitgenössischen Kritik: "Der Philister wird seine raue, holzige, breite und vierschrötige Kunst sicher nicht anlocken. Wir nehmen die rauen Äußerlichkeiten dieses Gebirglers gern in Kauf für seinen Ernst und für seine Keuschheit, für seine Verinnerlichung in eine vom Gemeinen abgesonderte Welt", schrieb Carlo Carra und bezeichnete ihn als "einen der bedeutendsten Sterne der Ausstellung. Zu den 33 präsentierten Werken gehörte auch das 1920-21 geschaffene Tischgebet, es wurde damals für 22.000 Lire verkauft, ebenso fünf andere Bilder. Ein Erfolg, nicht nur in finanzieller Hinsicht, nahmen die Uffizien doch sein Selbstbildnis in die Ehrengalerie berühmter Zeitgenossen auf.

Vom Tischgebet malte Egger-Lienz zwei weitere Fassungen: Jene von 1923 befindet sich in einer deutschen Sammlung, eine Variante davon im Tiroler Ferdinandeum (Inv. Gem 1188) und eine spätere kleinere Wiederholung in der Österreichischen Galerie Belvedere (Inv. 3190). Die erste Fassung wechselte 1929 über eine Mailänder Galerie neuerlich den Besitzer und damit vorerst endgültig in eine Privatsammlung, von wo es seither nie als Leihgabe für öffentliche Ausstellungen zur Verfügung gestellt worden war. Zumindest das soll sich künftig ändern.

"Heimkehr" nach Österreich

Gegen Ende vergangenen Jahres war Josef Schütz vom Besitzer kontaktiert worden, man würde einen Verkauf in Erwägung ziehen. Im März pilgerte der in Wien ansässige Kunsthändler nach Mailand, schließlich wurde man handelseinig: 1,3 Millionen Euro. Das ist, an den Aufzeichnungen des Kunstmarktes bemessen, ein Rekordpreis für ein Gemälde von Egger-Lienz und dabei noch gar nicht der Endpreis. Zum Vergleich: Der Auktionshöchstwert liegt bei 912.000 Euro, die 2006 im Dorotheum für Totentanz 1809 bewilligt wurden.

Wie hoch der (angemessene) Wert, also der kalkulierte Verkaufspreis für die Erstfassung des Tischgebets liegt, will Josef Schütz nicht verraten. Die Spanne sei minimal, der Hauptgewinn läge in der Reputation, dieses Bild nach Österreich geholt und in eine wichtige Sammlung vermittelt zu haben. Ungeachtet der bürokratischen Hürden, so der Nachsatz, zwei Monate musste er warten und um die Exportlizenz bangen. Donnerstag vergangener Woche traf das Großformat wohlbehalten in der Gluckgasse sein. Anderntags wurde es ausgeliefert und verbrachte das Pfingstwochenende bereits bei seinem neuen Eigentümer und in Gesellschaft sechs weiterer Egger-Lienz-Gemälde. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 2./3.6.2012)