So mancher wird Schlecker nicht vermissen. Vielen stießen die schlechte Behandlung der Mitarbeiter und die an kommunistische Warenpräsentation erinnernden Geschäfte immer schon sauer auf. Trotzdem gibt es gute Gründe, mit einer gewissen Wehmut zurückzuschauen. Das hat weniger mit dem Unternehmen als vielmehr mit der ungleichen Behandlung von "systemkritischen" Banken und der Restwirtschaft zu tun.

Der deutsche Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) greift den Banken noch im Jahr 2012 unter die Arme. 19,8 Milliarden Euro an bar Geflossenem und 11,2 Milliarden an Garantien nutzen die Kreditinstitute aktuell für ihr Fortbestehen. Ob Deutschland dieses Geld wiedersehen wird, weiß niemand. Man war auch schon weitaus großzügiger. Die Schatztruhe SoFFin hat in den vergangenen Jahren bis zu 200 Milliarden Euro in Banken eingezahlt bzw. für sie garantiert.

Schlecker hat laut Insolvenzverwaltung 500 Millionen bis eine Milliarde Euro Schulden, so genau sagt man das nicht. 150 Millionen davon entfallen auf den Gläubiger Staat, der aber in diesem Fall nicht Gnade vor Recht ergehen lässt. Die Agentur für Arbeit, das deutsche Pendant des heimischen AMS, hat Schlecker das von Jänner bis März 2012 gezahlte und nun rückgeforderte Insolvenzgeld nicht erlassen. Die deutschen Bundesländer wollten Schlecker nicht mit Bürgschaften retten, und auch Berlin sah weg.

Gerechtigkeit sieht anders aus. Darum muss die Politik daraus zwei Schlüsse ziehen, einen politischen und einen ökonomischen. Interessiert sich ein Investor für ein strauchelndes Unternehmen mit zehntausenden Beschäftigten, dann liebäugle man doch mit einer Stundung der staatlichen Forderungen. Das gibt zweifelsfalls den Ausschlag für den Zuschlag. Einen ökonomischen gibt es gleichwohl auch: Eine funktionierende Sektorhaftung samt Bankeninsolvenzrecht muss eingeführt werden. "Too big too fail" muss durch "too big to bail out" ersetzt werden. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 1.6.2012)