Richard Dixon, Lehrbeauftragter an der University of Westminster, ausgebildeter Baumpfleger, berufliche Zukunft offen.

Foto: Armin Bardel

Neun Neo-Österreicher erzählen auf dem Donauturm ihre Geschichten.

Wien - Der Blick von oben auf dem Donauturm mit seinen sich drehenden Restaurants hat etwas Visionäres. In einem langsamen Reigen scheint die Wienerstadt um ihre Beobachter zu tanzen. Dorthin hat der aus Russland stammende Choreograf Oleg Soulimenko neun Neo-Österreicher eingeladen, im Rahmen seiner neuen Performance "Made in Austria" bei den Festwochen ihre Geschichten zu erzählen.

Da ist die zarte Figur des gebürtigen Moskauers Vetscheslav Seniugov, dessen Herz ganz für die kanadische Popdiva Céline Dion schlägt. Der romantische Performer ist seit Jahren unentbehrliches Faktotum des Tanzquartiers. Er erzählt von Schubhaft in Österreich, von Hungerstreik - und von angenehmen Erfahrungen. Als Dion zum Beispiel in Moskau um eine Zigarette angeschnorrt wurde und keine hatte, wurde sie niedergeschlagen. Als ihr aber jemand in Wien auf der Straße für ein paar Cent eine abkaufen (!) wollte, hieß es nach ihrem Sorry: " Entschuldigung."

Die Sicherheit, in der es sich hierzulande lebt, wird sehr gelobt. Auch der dementsprechend gelassenere Alltag ist, zum Beispiel für die junge Austroamerikanerin Lana Michelson, ein wahrer Luxus: "Ich habe viel Zeit zum Nachdenken." Und zum Musizieren. Denn das gefragte Model mit seinen lustigen Totenkopfohrhängern versucht sich auch als Sängerin.

Mit viel Fingerspitzengefühl und ganz ohne krampfhafte Bemühung entlockt Oleg Soulimenko seinen neun Stars für diesen Abend vor allem positive Erfahrungen und ermöglicht dem Publikum so eine angenehme Begegnung. Damit unterläuft Made in Austria jene xenophobe Propaganda, die mit dem Holzhammer und mit subtilen Tricks das Misstrauen der "Einheimischen" gegenüber Migranten schürt.

Denn sie alle gehören zu Österreich. Zum Beispiel Virginia Radl von den Philippinen als tüchtige Krankenschwester. Oder Richard Dixon aus London, der Bäume pflegt. Oder der erfolgreiche indischstämmige Parfümeur Yogesh Kumar, der das Wesen eines Menschen aus dessen Körpergeruch "lesen" kann. Dem Publikum reicht er Duftstäbchen: "So riecht Österreich." - Verführerisch, mit einem gefährlichen Grundton ... Die Verführung der Liebe etwa hat den niederländischen Performer Frans Poelstra nach Wien gelockt.

Hier lebt und arbeitet Soulimenko selbst seit mehr als 15 Jahren und prägt das zeitgenössische Tanzgeschehen in der Stadt auf unverwechselbare Art mit. Seine vielgelobten neueren Arbeiten Made for Russia, Made in Russia oder A Visit To This Planet sind geprägt von einer ironischen Auseinandersetzung mit dem Fremden oder nur scheinbar Vertrauten. Bei Made in Austria verzichtet Soulimenko auf das Mittel der Ironie und erreicht es, dass seine Gäste sich als Nachbarn zeigen, mit denen in einem Land zu leben eine Freude ist. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 2./3.6.2012)