Hobbyimker wie Eva Braunrath schwärmen vom Honig aus der Wiener Innenstadt. 

Foto: Matthias Cremer

Seit heuer summt es auch im Inneren des "Krauthappels", wie die Kuppel der Secession genannt wird.

Foto: Matthias Cremer

Wien - Die Stadt summt. Es summt am Dach des Burgtheaters und am Dach des Naturhistorischen Museums. Es surrt am Staatsoperndach. Und seit heuer auch unter der goldenen Kuppel der Secession. Das Aufstellen von Bienenvölkern ist jedoch nicht nur bei innerstädtischen Top-Adressen beliebt. Das Interesse am Imkern in der Stadt wächst rasant, und so summt es auch in immer mehr Schrebergärten, Hinterhöfen, auf Brachen und Dachterrassen.

Eine der rund 550 Imkerinnen und Imker, die es in Wien gibt, ist Eva Braunrath. Ihre Bienen waren in der Hauptstadt schon fast überall fleißig auf Nektarsuche - in Grinzing, im Donaupark, am Schafberg, in der Lobau. Vor zwei Jahren ergab sich die Gelegenheit, ein Bienenvolk auf einer Dachterrasse mitten im 4. Wiener Gemeindebezirk aufzustellen. Ein Versuch: Wie würden die Bienen auf den Umzug in die Wiedner Hauptstraße reagieren? Das Experiment gelang: "Von meinen zwölf Völkern waren die Innenstadt-Bienen am besten entwickelt, ich habe 60 Kilo besten Stadthonig von diesem einen Stock geerntet", erzählt die Hobbyimkerin.

Imkern in der Stadt immer beliebter

Fast nirgends gibt es für Bienen einen so vielfältigen Lebensraum und ein so breites und beständiges Nahrungsangebot wie in Großstädten. Ist auf dem Land einmal ein Rapsfeld abgeblüht, wird es für die Honigsammlerinnen oft schwierig, auf den intensiv agrarisch genutzten Flächen geeignete Futterpflanzen zu finden. In der Stadt hingegen, mit ihren Parkanlagen, Alleen mit Rosskastanie, Ahorn und Linde und den Kleingärten, Blumenkistln und Gstätt'n, finden die Bienen immer reichlich blühende Nahrung.

"Das wärmere Stadtklima ist für Bienen ideal", ist Bio-Imker Dietmar Niessner überzeugt. Sechs seiner derzeit 40 Bienenvölker leben im 15. Bezirk. Lediglich ein kleines Schild am Zaun - "Honigbestellung, Gartenzustellung" - verrät, dass sich im Schrebergarten des Bienenpädagogen, direkt hinter dem Schutzhaus auf der Schmelz, im Sommer bis zu 400.000 Bienen tummeln. Der alte Apfelbaum vor dem Bienenhaus ist ein zartrosa Blütenmeer, so ungefähr darf man sich die heile Welt vorstellen. Das denkt sich wohl auch eine Gartennachbarin, die gerade vorbeispaziert und meint: "So schön ist das, irgendwie hätt' ich auch gern Bienen." Und sie ist mit ihrem Wunsch nicht allein.

Die Meldungen über das Bienensterben, der hohe Pestizideinsatz in der konventionellen Landnutzung oder der Eindruck, dass im eigenen Garten nichts mehr summt - all das bringt immer mehr Menschen auf die Idee, sich mit der Imkerei zu beschäftigen.

Nix für Esoteriker

Das Kursangebot, das der Landesverband für Bienenzucht in Wien anbietet, ist groß und reicht von der "Einführung in die Welt der Imkerei" bis zur Varroa-Behandlung der Bienen. Ohne fundierte Ausbildung gehe es sowieso nicht, sagt Niessner: Das Imkern sei mit viel Arbeit und Verantwortung verbunden, es gebe klare Fakten und Spielregeln, nix für Esoteriker.

Wer sich aber ernsthaft auf das Projekt "Stadt-Imkerei" einlässt, werde mit einer besonders feinen - und überraschend sauberen - Honigmischung belohnt, verspricht Ernst Wilhelm, Obmann der Wiener Imkerschule. Luftverschmutzung habe auf den Nektar, der tief in der Blüte sitzt und nur für kurze Zeit offen zugänglich ist, keinen nachweisbaren Einfluss. Und bevor der Nektar in der Wabe landet, muss er erst einmal das komplexe Magensystem der Biene passieren, ein perfekter Filter. Mit Stadthonig, so auch Imkerin Eva Braunrath, sei man in Bezug auf Rückstände absolut auf der sicheren Seite. Die Stadt bietet Bienen einen geschützten Lebensraum. Auch die großen Probleme durch insektizidgebeiztes Saatgut - das nicht nur bei konventionell angebautem Mais, sondern ebenfalls bei Raps, Sonnenblumen und Kürbissen zum Einsatz kommt - sind hier kein Thema. Und weil die werdende Mama auch für ihre Bienen nur das Beste will, ist für sie klar: "Wer seine Bienen liebt, stellt sie in die Innenstadt!"(Ulrike Heller-Macenka, DER STANDARD, 2./3.5.2012)