Wien - Dass Prostituierte in Österreich ihr Honorar nicht einklagen können, ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes (OGH) nicht länger zulässig.

Im Urteil vom 18. April (Geschäftszahl 3Ob45/12g) wird auf den Fall eines zahlungssäumigen Freiers in einem Villacher Bordell Bezug genommen: Dieser muss nicht nur eine Getränkerechnung von 3000 Euro zahlen, sondern wurde vom OGH dazu verurteilt, auch die offenen "Dienstleistungen" zu begleichen. Das Berufungsgericht hatte dies zuvor wegen der geltenden Sittenwidrigkeit abgewiesen.

Der Hintergrund: 1989 entschied der OGH gegen zwei Prostituierte, die von einem Freier mit ungedeckten Schecks betrogen wurden. Im Zusammenhang mit Prostitution würde häufig "Leichtsinn, Triebhaftigkeit und Trunkenheit" ausgenutzt. Deswegen seien Vereinbarungen nichtig.

Jetzt begründet der OGH, dass "nicht alles, was als potenzielle Gefahr für familienrechtliche Institutionen oder als unmoralisch empfunden wird, deshalb schon sittenwidrig ist." Eine Übereinkunft zwischen einer Prostituierten und ihrem Kunden sei nicht generell sittenwidrig. Wurde die sexuelle Handlung gegen vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen oder geduldet, kann das Geld künftig eingefordert werden. Diese Entscheidung betrifft auch das Verhältnis zwischen Bordellbetreiber und Kunden.

"Flattrate-Puffs" in Deutschland

"Endlich", begrüßt Christian Knappik, Sprecher der Plattform Sexworker.at, das OGH-Urteil. Die Politik könne sich nun nicht mehr auf die Sittenwidrigkeit ausreden. "Wenn Prostitution ein anerkanntes Gewerbe ist, gibt es keinen Grund mehr, Verbesserungen nicht umzusetzen." Wichtig sei für ihn, dass sich diese Ansicht auch in anderen Gesetzen wiederfindet. In Deutschland, wo die Sittenwidrigkeit 2001 gekippt wurde, entwickelten sich zahlreiche "Flatrate-Puffs" - das gelte es laut Knappik zu vermeiden. "Wir wollen kein Angestelltenverhältnis, Sexarbeit darf weder delegierbar noch weisungsgebunden sein."

Das sieht auch der OGH so: Vereinbarter Sex kann nicht gerichtlich eingeklagt werden. Dass die sexuelle Autonomie im Urteil klar formuliert ist, zeuge von einer ernsthaften Auseinandersetzung, meint Eva van Rahden von der Prostituiertenberatungsstelle Sophie. Die Entscheidung sei insgesamt ein sehr positiver Schritt.

Auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), die schon lange für den Fall der Sittenwidrigkeit plädiert, begrüßt das Urteil: "Alles, was in die Richtung geht, bestärkt meinen Kurs."

Im konkreten Fall des Villacher Freiers muss das Landesgericht Klagenfurt nun die Höhe für die unbezahlten "Mädchendienstleistungen" festlegen, die er in Anspruch genommen hat. Am Samstag findet übrigens der "internationale Hurentag" statt. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 2./3.6.2012)