Irland versinkt seit vier Jahren in einer schweren Bankenkrise, doch in einem Punkt sind die Inselbürger zu beneiden: Während Europa über die Angemessenheit der EU-Sparpolitik nur diskutieren kann, durften 3,1 Millionen Iren darüber abstimmen und mitentscheiden.

Ihre klare Zustimmung zum Fiskalpakt als Sieg von Angela Merkels Spardoktrin hochzustilisieren wäre aber verfehlt. Denn die Mehrzahl der Menschen hatte einen rein pragmatischen Grund, Ja zum EU-Sparvertrag zu sagen: Die Chancen stehen gut, dass Irland 2013 neue Finanzhilfe von der Eurozone brauchen wird. Die schlechten Nachrichten aus Griechenland und die Angst um Spanien verdecken derzeit, dass Irland (und Portugal) nur geringfügig besser dastehen. Hilfe aus dem europäischen Rettungsschirm ESM steht aber nur jenen Ländern offen, die den Fiskalpakt ratifiziert haben. Darauf haben die Befürworter des Vertrages - und das waren nahezu alle irischen Parteien - bei jeder erdenklichen Gelegenheit hingewiesen.

Der Fiskalpakt ist für Irland sicher die falsche Medizin, weil das Land nicht durch staatliche, sondern durch private Schuldenberge in die Krise geschlittert ist. Trotzdem ist es für die Iren besser, dass eine Mehrheit den politischen Alleingang abgelehnt hat. Wie gefährlich dieser sein kann, lässt sich an Griechenland beobachten, wo der Wahlerfolg der konzeptlos wirkenden Linkspartei Syriza die Furcht vor einem Zerfall der Eurozone angefacht hat.  (DER STANDARD, 2./3.5.2012)