Wie aber findet man im Dickicht der Reformexpertisen den Weg vom Wort zur Tat? Hier einige lexikografische Orientierungshilfen.*

Bildungspolitiker (Substantivum irregularis), der - die - das ... - Bildungspolitiker wird man dann, wenn man von der Sache, von der kaum einer etwas versteht, absolut nichts versteht. Bildungsminister/in wird man z. B. in Österreich, wenn man vorher Handarbeitslehrerin war, das schwäbisch angehauchte Vorarlbergerisch mit Deutsch verwechselt (die Fremdwörter sowieso), oder wenn man vorher eine Bank in den Ruin begleitet hat. Die Bildungspolitikerin heute ist grundsätzlich "offen" für alles und lässt daher in Permanenz Arbeitsgruppen einsetzen, die etwas ausarbeiten sollen, wovon weder sie selbst noch die Arbeitsgruppen etwas verstehen. Der "Bildungsforschung" bedient man sich als Argumentationshilfe. Deshalb beauftragt man damit auch diejenigen, die versprechen können, dass sie diejenigen Daten liefern können, von deren Zustandekommen man auch nichts versteht.

Gesamtschule (Subst.), die - soll ein Problem lösen, das es gar nicht gibt. Die Gesamtschule wird zwar seit rund hundert Jahren propagiert und auch versuchsweise veranstaltet, allerdings neben dem Gymnasium, wodurch der Gesamtschulversuch eigentlich keiner ist. In den USA und der ehemaligen Sowjetunion immer schon üblich, wobei das vor allem in den USA zu erstaunlichen Leistungen im Bildungswesen geführt hat.

Das Hauptergebnis der USA-Gesamtschule war dann die Gründung einer Vielzahl von High schools, in welchen dann doch eher Kinder von sogenannten bildungsnäheren Schichten versammelt waren. Auch die ehemalige SU kannte so etwas wie Eliteschulen für die bildungsnahen Schichten (sprich: Parteikader).

Da die hier sogenannte Volksschule immer schon eine Gesamtschule war, ist die eigentliche Gesamtschule nur die Verlängerung der Volksschule für die 10- bis 14-Jährigen. Die Teilung der Schülerpopulation in Gymnasiasten und Hauptschüler ist angeblich zu früh. Man könne - so heißt es - bei Zehnjährigen noch nicht erkennen, ob sie für die höhere Schule geeignet wären, obwohl Pisa sehr wohl feststellen kann, ob die Zehnjährigen des Lesens und Problemlösens fähig sind. Mit dem 14. Lebensjahr könne man das angeblich treffsicherer voraussagen. Mitten in den Verwirrungen und Verwirrtheiten der Pubertät ginge das genauer. Gesamtschulapologeten - obwohl meist Sozialdemokraten und Grüne - sind also vor allem an einer genaueren Auslese interessiert, obwohl "Auslese" für diese Leute ein Unwort ist. Sie wollen nicht keine Auslese, aber eine genauere. Es sollten wirklich nur intelligentere Schüler ins Gym (Oberstufe) kommen. Dahinter steckt natürlich die Annahme, dass Installateurslehrlinge, Heizungstechniker und Schlosser ruhig blöd sein dürfen, was aber dann wiederum blöd ist, wenn man solche braucht.

Pisa (Akronym), der, die, das (?) - Kunstwort - nach Johann König ist das die Abkürzung für "pummelige Idioten suchen Arbeit". Darauf ist er gekommen, weil unsere Kinder meistens zu dick sind und auch noch blöd. Also Dick und Doof. Früher, so meinte er, wären das zwei gewesen, heute reiche einer. Das ist natürlich eine schwere Übertreibung für etwas, wofür die Kinder gar nichts können. Damit das nicht so weitergeht, wurde Pisa erfunden: ein internationaler Test für alle OECD-Staaten, bei denen die USA nicht dabei sind. Die haben sich gesagt: Da machen wir nicht mit, denn wir brauchen die pummeligen Idioten, damit sie bei der Präsidentenwahl zwischen McCain und Obama unterscheiden können und den wählen, der das verspricht, was er dann auch nicht halten kann, weil sonst von irgendwo eine Kugel geflogen kommt.

Pisa testet Problemlösungskompetenz. Das Blöde daran ist nur, dass man die nur erwerben kann, wenn man etwas Sachhaltiges gelernt hat. Sachhaltigkeit ist aber ziemlich out. Meinungen aber sind in. So verstrickt sich die Pädagogik in Probleme, die sie nicht hätte, wenn noch ein bisschen Hausverstand am Werke wäre.

Lehrer (Subst.), der - Lehrerin (Subst.), die - allgemein, d. h. gegendert - Lehr (Subst.), das - nicht sonderlich einträglicher Berufszweig, wobei die geringe Einträglichkeit aufgewogen wird durch angeblich mehr Freizeit und die Möglichkeit, die eigenen Weltanschauungen, Vorlieben und Schrullen an mehr oder weniger hilflosen Geschöpfen auszuleben. Damit man ein Lehr werden kann, bedarf es der Ausbildung zum Lehr durch Oberlehrs.

Das Lehr ist ein seltsames Geschöpf, entstanden durch die Arbeit von Lehrs. Das Lehr verlässt die Stätte seiner kleinen Freuden und größeren Demütigungen nie. Zuerst wird es belehrt, dann belehrt es andere. Das Lehr ist ein in sich gekrümmtes Wesen wie der in sich gekrümmte Raum. Es bewegt sich zwar, bleibt aber immer bei sich.

In den letzten drei Jahrzehnten hat es das Lehr geschafft, den Kern seiner Aktivität - das Lehren - aufzugeben. Einer der wenigen Berufszweige, die das, was ihre Namen versprechen, nicht tun. Man kann nur hoffen, dass z. B. hier die Ärzte nicht mitziehen.

Historisch gesehen war das Lehr immer Bediensteter, in der Antike sogar Sklave. Das hat sich bis heute gehalten, als eine besondere Art der Devotheit. Lehrs wollen zwar nicht mehr lehren, lassen sich aber gerne in Fortbildungsveranstaltungen belehren von Oberlehrs, die der Meinung sind, man dürfe nicht belehren.

Insgesamt ein Berufszweig, der zwar notwendig ist, aber die Menschheit nicht weiterbringt.

Projektunterricht (Subst.), der - grammatisch so wie Unterricht, sonst aber ganz anders. Projektunterricht ist praktisch geeignet, weil theoretisch auch so konzipiert, dass kein Unterricht stattfindet. Der Projektunterricht wurde in den USA erfunden und an Millionen von Schülern getestet. Das Ergebnis war immer positiv. Auch die Atombombe wurde an Hunderten von amerikanischen Soldaten getestet. Das Ergebnis war auch positiv. Keiner hat es überlebt.

Beim Projekt lernt der Schüler selber, sonst nicht. Das macht ihn selbstständig und autonom. Ganz autonom gehen dann 50 Prozent der Amis gar nicht zur Wahl, weil sie nicht wissen, was eine Wahl ist. Sie hatten kein Wahlprojekt. (DER STANDARD, 2.6.2012)