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Unterstadt und Oberstadt: Das ist nicht immer nur topografisch gemeint. Dazwischen liegt der Beweis, dass Kiew die drittgrünste Stadt Europas ist.

EU-Bürger dürfen ohne vorherige Erteilung eines Visums in die Ukraine einreisen. Austrian Airlines und Ukraine International Airlines fliegen nonstop. Air Baltic ist am billigsten, macht aber einen Zwischenstopp in Riga. Der internationale Flughafen Boryspil liegt 30 Kilometer vor der Stadt. Taxi in die Stadt mindestens 30 Euro, mit dem Minibus Polit kommt man um drei Euro ins Zentrum. Wer sich die Zeit nimmt und CO2-reduziert in die Ukraine reisen möchte, nimmt den Zug von Wien über Budapest oder über Warschau. Schnellste Verbindung: 28 Stunden.

Foto: Gavin Hellier / Corbis

Gratisführungen durch die Stadt: Tourismusbüro am Boulevard Chreschtschatyk 19a. Täglich um 12 und um 16 Uhr, Treffpunkt ist am Unabhängigkeitsplatz Majdan.

Von der Oberstadt in die Unterstadt: Hinab flaniert man am besten über den Andreassteig. Retour fährt man mit dem Funicular. Die Standseilbahn befördert 10.000 Passagiere täglich. Die Fahrt dauert zwei Minuten.

Zu den hochkarätigen Galerien in Kiew gehört das Pinchuk Art Centre. Auf vier Etagen zeigt der leidenschaftliche Kunstsammler Oligarch Wiktor Pintschuk die Crème de la Crème der modernen Kunst.

(Im Bild: Andreas Gursky, Hamm, Bergwerk Ost, 2008; Andreas Gursky, 99 Cent II, 2001)

Foto: PinchukArtCentre, 2012/Sergey Illin

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Die Hotels in Kiew sind verhältnismäßig teuer und sehr auf den Business-Reisenden ausgelegt. Wer urbanes Stadtfeeling erleben möchte, ist besser bedient, ein Appartement im Zentrum der Stadt zu mieten. Schön renovierte und saubere Wohnungen in alten Stadthäusern in bester Lage: bestkievapartment.com und accommodation.kiev.ua.

Kulinarisches: Pelmeni (Teigtaschen mit salziger oder süßer Füllung) oder Mlynzi (Crêpes auf ukrainisch) gehören zu jedem Kiew-Besuch. Die Einheimischen trifft man meist in Selbstbedienungsrestaurants wie "Puzata Hata" direkt am Kontraktplatz im Stadtteil Podil am Fluss Dnepr.

Niemand weiß, warum er es getan hat. Niemand weiß, an wen er es adressiert hat. Und niemand weiß, ob es nicht der verzweifelte Liebesruf eines erfolglosen Politikers im Schatten unbekannter politischer Drahtzieher ist: Leonid Tschernowezki, der Anfang Juni zurückgetretene Kiewer Bürgermeister, kommentierte eine CD mit Sowjetballaden aus den Achtzigerjahren mit den Worten: "Ich schenke euch mein brennendes Herz." Damit ist er wohl für das skurrilste Souvenir aus der ukrainischen Hauptstadt verantwortlich.

Wer Kiew zum ersten Mal betritt, ist überrascht. Westlich der Ukraine ist nur wenig über Kiew bekannt - und das, obwohl es nach Moskau und St. Petersburg die drittgrößte Stadt der ehemaligen Sowjetunion ist. Vor den unerfahrenen Augen des Besuchers breitet sich die Stadt großzügig in hügeliger Lage entlang des Flusses Dnepr aus. Ursprünglich, heißt es, wurde Kiew ebenso wie Rom auf sieben Hügeln errichtet. Heute teilt der majestätische Fluss Dnepr die Stadt in zwei Teile.

Am Ostufer liegen vorwiegend Wohngebiete, die nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurden. Am Westufer befindet sich der alte Kern. Breite Straßenzüge, wie der Boulevard Chreschtschatyk, erinnern an Wien oder Paris. Und die Hanglage am Fluss verleiht Kiew sogar gewisse Ähnlichkeiten mit Budapest. Verwinkelte, enge Gassen hingegen, die fehlen. Der Horizont in Kiew ist weit, und die Plätze sind pompös. So wie der Majdan, auf dem sich 2004 während der Orangen Revolution fast 500.000 Menschen auf dem damaligen Platz der Oktoberrevolution, dem heutigen Unabhängigkeitsplatz, versammelten.

Der postsowjetische Schleier ist aus dem Antlitz der 2,8 Millionen Einwohner zählenden Stadt gewichen - besonders in der Oberstadt, die wie eine Filmkulisse für alte, russische Märchen wirkt. Grün und Gold sind die Farben der ukrainischen Hauptstadt. Das behaupten zumindest Einwohnerinnen wie etwa Maria Ivanytska, die an der Kiewer Universität als Deutsch professorin tätig ist. In ihrer Freizeit führt sie gerne interessierte Besucher durch die Stadt, meist Österreicher und Deutsche.

Wer das besagte Grün und Gold erleben möchte, der muss zwischen Mai und Oktober anreisen. In dieser Zeit fällt es leicht zu glauben, dass die Hälfte des Stadtterritoriums Wald- und Grünfläche ist. Viele Kiewer nutzen die städtische Natur zum Spazieren. Wer hätte gedacht, dass die Stadt am Dnepr mit Wien und Oslo zu den drei grünsten Städten Europas gehört?

Golden heben sich die Kuppeln der zahlreichen restaurierten Kirchen und Klöster gegen den vor allem in den Sommermonaten azurblauen Himmel ab. Seitdem nach der Unabhängigkeit 1991 ein Kiewer Patriarchat als Pendant zum Moskauer Patriarchat gegründet wurde, erlebt die Stadt eine Art Renaissance des Glaubens. Diesen Eindruck vermittelt zumindest die Pflege der sakralen Bauten. Die Sophienkathedrale mit ihren 13 birnenförmigen goldenen Kuppeln, Unesco-Weltkulturgut seit 1990, ist ein einzigartiges Denkmal der Baukunst der Kiewer Rus, jener Zeit, als Kiew sich inmitten eines prosperierenden Großreiches befand, das sich im 11. Jahrhundert über das heutige Gebiet von Russland, Weißrussland und der Ukraine erstreckte.

Damals entwickelte sich Kiew zu einer der größten und reichsten Städte Europas. Doch kaum eine andere europäische Stadt wurde so oft erobert, verwüstet und wieder neu aufgebaut. Mongolen, Litauer, Polen, Russen und Deutsche hinterließen ihre Spuren als wechselnde Besatzer. Und so durchwandert man in Kiew unterschiedliche architektonische Zeitschichten, wobei die größte Baumasse aus dem 19. und 20. Jahrhundert stammt.

"Ich liebe das alte Kiew", sagt Natalia Moussienko. Für die Urbanismus-Forscherin am Institut für moderne Kunst ist das Kiew der 1920er-Jahre die stilschönste Zeit. Heute hingegen gebe es keinerlei Masterplan, der eine interessante Stadtarchitektur ermögliche. "Das gelungenste Projekt der vergangenen Jahre", meint sie, "war tatsächlich der Umbau des aus Sowjetzeiten stammenden Olympiastadions zum neuen Kiewer Na tionalstadion." Abgesehen davon würde Kiew in purer Ideenlosigkeit versinken, vor allem aber im Korruptionssumpf des Baugewerbes. Aus diesem Grund engagiert sich die gebürtige Kiewerin in der Bürgerinitiative "Kiewer gegen die Zerstörung von Kiew".

"Die meisten Bewohner befinden sich weit weg von politischen Entscheidungen. Aber auf Gemeindeebene ist die Zivilgesellschaft durchaus aktiv. Die Bürgerbewegungen von heute haben ihre Lehren aus der Orangen Revolution gezogen", ist Moussienko überzeugt. Als vor der Fußball-EM in einer der ältesten und schönsten Straßen Kiews, dem Andreas-steig, bei Kanalarbeiten illegalerweise gleich drei Gebäude niedergerissen wurden, regte sich in der Bevölkerung breiter Protest. Und er bewegte sich bis vor die Kiewer Bürozentrale des Verursachers.

Rinat Achmetow ist der Übeltäter. Der Oligarch aus der ostukrainischen Industriestadt Donezk, wo er nach wie vor lebt und sich als Präsident des Fußballklubs Schachtar Donezk gerne in dem von ihm neu errichteten Fußballstadion zeigt, gilt mit einem geschätzten Vermögen von 16 Milliarden US-Dollar als der reichste Mann des Landes. Und seit der von ihm gestützte Wiktor Janukowitsch 2010 Präsident wurde, ist er auch einer der mächtigsten.

Kiew verliert sein Antlitz

Rinat Achmetow also hatte ein Auge auf den Andreassteig geworfen. Aufgrund seiner exponierten Lage und seiner steilen Windungen hinab ins ehemalige Handelsviertel Podil wird die Straße gerne auch als das "Montmartre Kiews" bezeichnet. Auf dem frei gewordenen Gelände wollte er ein modernes Business-Center aus Glas und Stahl errichten. Doch der Oligarch, dem ein gutes Image wichtig sein soll, hat nicht mit dem massiven Widerstand aus der Bevölkerung gerechnet. Er entschuldigte sich öffentlich. Der Abriss der Häuser sei ein Fehler gewesen. Jetzt soll stattdessen ein Kulturzentrum errichtet werden.

"Kiew ist in Gefahr", beteuert Moussienko. "Die Stadt verliert allmählich ihr Antlitz." Während ein gesichtsloses Bürogebäude nach dem anderen aus dem Boden gestampft wird, versinke die Stadt gleichzeitig in einem immer größer werdenden Verkehrschaos. Wer Kiew zu Fuß erkunden möchte, braucht starke Nerven und viel Courage. Autobesitzer, vorzugsweise in schwarzen SUVs, verstehen Gehsteige gerne als Ausweichmöglichkeit für verstopfte Straßen und fehlende Parklücken.

Früher wurden die Straßen beinahe täglich gesperrt. Nämlich dann, wenn sich Präsident Janukowitsch auf dem Weg zwischen seinem Anwesen, 30 Kilometer nördlich der Stadt, und dem Präsidentenpalast befand. Als sich in der Bevölkerung Unmut ob der regelmäßigen Sperren regte, löste der Präsident das Verkehrsproblem ganz auf seine Weise: Er fliegt jetzt täglich mit dem Hubschrauber in die Arbeit.

Unterwegs durch die Unterwelt

Währenddessen tummelt sich die Masse der Pendler in den drei Metrolinien der Stadt. Um 20 Cent pro Strecke werden die Passagiere schnell und effizient von einem Ort zum anderen gebracht. Eine Metrofahrt durch Kiew ist ein Muss für jeden Besucher. Jede Station hat ihren eigenen, meist klassizistischen, konstruktivistischen oder eklektischen Stil. Auch Sowjetnostalgiker und Mosaikliebhaber kommen auf ihre Kosten.

Außerdem gibt es in Kiew die tiefstgelegene Metrostation der Welt: Zur Arsenalna, die sich 100 Meter unter der Erde befindet, fahren zwei Rolltreppen. Eine davon ist 65 Meter lang. Und in dieser Unterwelt gibt es ein geschäftiges Leben. Viele Unterführungen, wie verwinkelt sie auch sein mögen, werden als Shoppingflächen genutzt. Zu kaufen gibt es Mlynzi, also ukrainische Crêpes, bestickte Babuschka-Blusen und Sonnenblumen aus dem Umland.

An den Wochenenden erlebt man nach dem Aufstieg in die Oberwelt neuerdings eine große Überraschung: Da präsentiert sich der breite Chreschtschatyk mit seinen markanten stalinistischen Zuckerbäckerbauten in großzügiger Pracht und schenkt den Lustwandlern den Boulevard als Fußgängerzone. Spätestens dann zeigt die Stadt am Dnepr dem erstaunten Besucher ein neues ihrer vielen Gesichter. (Monika Kalcsics, Album, DER STANDARD, 30.6.2012)