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Ein aus Lehm errichtetes Minarett in Timbuktu.

Foto: Reuters/Diarra

Bamako - Die Zerstörung jahrhundertealter Grabstätten im Norden Malis durch islamistische Rebellen hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Die malische Tourismusministerin forderte am Sonntag die UNO-Kulturorganisation UNESCO auf, "diese Verbrechen gegen das kulturelle Erbe" ihres Volkes zu beenden. Augenzeugen zufolge zerstörten Mitglieder der Gruppe Ansar Dine mindestens drei Mausoleen islamischer Heiliger in der Welterbestadt Timbuktu.

Malis Tourismusministerin Diallo Fadima Toure forderte bei einer Sitzung der UNESCO in St. Petersburg, "konkrete Schritte zu unternehmen, diese Verbrechen gegen das kulturelle Erbe meines Volkes zu stoppen". Ihre Regierung hatte zuvor von "Zerstörungswut" gesprochen, die "Kriegsverbrechen" gleichkomme. Sie kündigte "nationale und internationale Schritte" an, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Taten hätten "nichts mit dem Islam zu tun".

Die UNESCO unterbrach am Samstag ihre Sitzung in St. Petersburg, bei der sie neue Welterbestätten auswählte, und sprach von einer "tragischen Nachricht". UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokowa erklärte, es gebe "keine Rechtfertigung für so eine mutwillige Zerstörung". Marokko forderte am Sonntag eine "dringende Intervention" zum Schutz des "reichen Erbes" Malis. Auch Frankreich und andere Staaten verurteilten die Taten.

Laut Augenzeugen zerstörten in Timbuktu Mitglieder der islamistischen Rebellengruppe Ansar Dine binnen weniger Stunden die Grabstätten der Heiligen Sidi Mahmud, Sidi Moctar und Alpha Moya und zogen anschließend in Richtung weiterer Mausoleen weiter. Die teils bewaffneten Kämpfer seien mit Spitzhacken und Meißeln gegen die aus ockerfarbenen Lehm errichteten Gebäude vorgegangen und hätten "Gott ist groß" gerufen.

Ansar Dine reagierte einem Sprecher zufolge damit auf die Entscheidung des Welterbekomitees, Timbuktu wegen des Konflikts in Mali auf die Liste des gefährdeten Welterbes zu setzen. Der Sprecher Sanda Ould Boumana sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Gruppe wolle "ohne Ausnahme jedes Mausoleum in der Stadt zerstören". "Gott ist einzig. All dies ist Sünde. Wir sind alle Muslime. Was ist die UNESCO?", sagte Boumana.

"Perle der Wüste"

Das am Rande der Sahara gelegene Timbuktu wird "Perle der Wüste" oder "Stadt der 333 Heiligen" genannt und zählt seit 1988 zum Weltkulturerbe. Die zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert von Tuareg-Stämmen gegründete Stadt war lange ein geistiges Zentrum des Islam. Aus Sicht der Islamisten ist die Verehrung von Heiligen und ihren Grabmälern durch die örtliche Bevölkerung ein Verstoß gegen das islamische Gebot, keine Götter neben Allah anzubeten.

Die Islamisten hatten Ende März gemeinsam mit Tuareg-Rebellen Timbuktu unter ihre Kontrolle gebracht, nachdem die Zentralregierung infolge eines Militärputsches zusammengebrochen war. Seitdem lieferten sich die Gruppen wiederholt heftige Kämpfe um Timbuktu und andere Städte. Einem Arzt zufolge wurden in Gao vergangene Woche mindestens 35 Menschen getötet, als die islamistische Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika (MUJAO) die Tuareg-Rebellen aus der Stadt vertrieben.

Angesichts des Machtzuwachses der Islamisten rief die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) den UNO-Sicherheitsrat auf, die Entsendung einer regionalen Eingreiftruppe zu unterstützen. Die Extremistengruppe Al-Kaida im Islamischen Maghreb warnte unterdessen, mit "Entschlossenheit" gegen alle vorzugehen, die mit einer Interventionstruppe zusammenarbeiten.  (APA, 1.7.2012)