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STANDARD: Wie beobachten Sie die Turbulenzen, in die die Akademie der Wissenschaften geraten ist?

Grimm: Als Vertreter von sehr leistungsfähigen Forschungsinstituten sehen wir den derzeitigen Strudel der Negativität mit großem Entsetzen. Die positive Seite des Begriffs ÖAW, der ja für beides steht - Gelehrtengesellschaft und Forschungsinstitute - wird überhaupt nicht gesehen. Es gibt mehr als 1400 Mitarbeiter, die mit großem Einsatz und Engagement in diesen Instituten arbeiten und vieles bewegen.

STANDARD: Welchen Ausweg sehen Sie - als ÖAW-"Gelehrter" und als Direktor eines der Top-ÖAW-Institute, des IQOQI in Innsbruck?

Grimm: Die Gelehrtengesellschaft und ihre Veranstaltungen sind ganz nett, aber das ist nicht unser Hauptgeschäft. Für mich ist wichtig, dass wir Forschung effizient betreiben können. Die Akademie als Forschungsträger muss neu aufgestellt werden oder sich neu aufstellen. Und man muss überlegen, was sind da effiziente Strukturen, da muss die ÖAW entsprechenden Support geben. Intern ist das natürlich sehr schwer. Viele Beharrungskräfte sind da, aber ich sehe wachsende Bereitschaft dazu. Auch die Gelehrtengesellschaft möchte ihrem Geschäft nachgehen. Unsere Vision ist immer: Gelehrtengesellschaft und Forschungsträger unter dem Dach der Akademie, aber doch weitestgehend administrativ entkoppelt.

STANDARD: Was heißt das konkret?

Grimm: Es muss auf jeden Fall vom Budget her klar getrennt sein. Auch in der Entscheidungsstruktur darf keine oder nur sehr wenig Vermischung da sein. Die Gelehrtengesellschaft kann natürlich gewisse beratende Funktionen ausüben, aber Entscheidungen müssen diejenigen treffen, die dann wirklich die Institute führen.

STANDARD: Die "Junge Kurie" kritisiert zu wenig Mitspracherecht?

Grimm: Das ist sicher problematisch. Die Junge Kurie ist von der Intention sehr gut, aber man hat sie letztlich doch nicht komplett an den Entscheidungsstrukturen beteiligt, das Konzept ist auf halbem Wege steckengeblieben. Daher sind viele frustriert, dann lässt die Beteiligung auch nach, wenn man lange vergebens kämpft.

STANDARD: Und die älteren Akademiemitglieder - unfrustriert mit Wahlrecht - entscheiden dann.

Grimm: Da gibt es ein generelles Problem, und das ist auch eine organisatorische Frage: die aktiven Wissenschafter haben immer wenig Zeit. Hier eine Veranstaltung, dort eine Konferenz, da bleibt wenig Zeit, um an Akademiesitzungen teilzunehmen. Dann gibt es bei den Sitzungen natürlich ein starkes Zerrverhältnis. Wenn man die Hoffnung verliert, dass sich der Laden überhaupt entwickeln lässt, ist der Austritt vielleicht der allerletzte Schritt, um ein Signal zu setzen. Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren. (nim, DER STANDARD, 2.7.2012)