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Ein Rumäne, der in Norwegen Straßenzeitungen verkauft, steht vor seinem Zelt in einem Wald am Stadtrand von Oslo. Solche Camps werden derzeit vermehrt Ziel von Angriffen.

Foto: dapd/Mac Dougal

Oslo/Stockholm - "Werft das Pack raus, so schnell es geht." "Jens Stoltenberg ist ein Landesverräter." Wortmeldungen wie diese häufen sich derzeit auf der Facebook-Seite von Norwegens Ministerpräsident Stoltenberg. Seine Mitarbeiter kämen mit dem Löschen kaum nach, berichtet die Tageszeitung Verdens Gang. Deutlich vernehmbar sei das Echo des Prozesses gegen den Massenmörder Anders Behring Breivik: "Rassistische Aussagen sind Teil des norwegischen Alltags geworden."

Anlass der seit Wochen anhaltenden öffentlichen Erregung sind aus Osteuropa zugereiste Roma, die sich vor allem in der Hauptstadt Oslo mit Betteln versorgen. Nach Angaben der Stadt handelt es sich um rund 2000 Personen - "zu viele für Oslo", wie Polizei-Vizechef Roger Andresen betont. Die harte Konkurrenz um milde Gaben lasse viele der vor allem aus Rumänien Zugereisten zur Geldbeschaffung auf diverse Straftaten ausweichen - so führen Rumänen derzeit die Polizeistatistik über ausländische Straftäter in der Hauptstadt an.

Unterdessen sehen sich viele der Bettler nicht mehr nur verbalen Attacken ausgesetzt. So wurde ein provisorisches Roma-Lager am Stadtrand von Oslo mit Feuerwerkskörpern angegriffen, in der vergangenen Woche gaben Roma in Trondheim an, in ihrem Zeltlager durch Schüsse geweckt worden zu sein. Redakteure der Straßenzeitung Folk er folk, die mehrere Roma als Verkäufer angestellt hat, erhalten regelmäßig Mord drohungen. Siv Jensen, Vorsitzende der rechtspopulistischen Fortschrittspartei, nutzte die Gunst der Stunde für die Forderung, die unerwünschten Ankömmlinge schleunigst wieder in Richtung Osteuropa zu verfrachten.

Angaben, wonach den zugereisten Zeitungsverkäufern aufgrund ihrer Anstellung Leistungen des norwegischen Sozialstaats zuständen, hatten die Stimmung in den vergangenen Wochen zusätzlich angeheizt. Das Arbeitsministerium hat dies mittlerweile zurückgewiesen.

Keine Grenzkontrollen

Die Frage, wie dem Zustrom der ausländischen Bettler beizukommen sei, beschäftigt gleichwohl die Regierung in Norwegen. Zwar dürfen sich EU-Bürger drei Monate lang im Land aufhalten - allerdings "lediglich unter der Voraussetzung, sich selbst versorgen zu können", wie Arbeitsministerin Hanna Bjurst Bjurstrøm betont. Das Nichtvorhandensein von Grenzkontrollen mache diese Bestimmung bisher aber zahnlos.

Das Justizministerium erwägt daher die Einführung eines polizeilichen Bettler-Registers. Parallel dazu klopft man die einheimische Gesetzgebung auf weitere Änderungsmöglichkeiten ab. Eine zentrale Rolle dabei spielt die Wiedereinführung des vor sechs Jahren abgeschafften Bettelverbots. So haben sich Oslos Sozialdemokraten für ein Teil-Verbot ausgesprochen - eine Regelung, wonach Kommunen ein Verbot jeweils eigenverantwortlich entsprechend der aktuellen Situation verhängen dürfen. Dies sei "flexibler und vernünftiger" als ein Totalverbot, so der juristische Sprecher der Arbeiterpartei, Jan Bøhler. Der Gesetzesvorschlag wird derzeit vom Justizministerium geprüft; Bøhler hofft auf eine Behandlung durch das Parlament im Herbst. (Anne Rentzsch, DER STANDARD, 1.8.2012)