"Was hast du mitgebracht?" Die Gefragten antworteten mit Foto und einer kurzen Beschreibung.

Foto: Mascha Dabić

Adriana Muñoz, Kuratorin beim Weltkulturmuseum im schwedischen Göteborg, sprach in Wien über Migration in der Museumsarbeit.

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Wie kann man als Kurator das Thema Migration in der Museumsarbeit aufarbeiten, ohne Stereotype zu reproduzieren?

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Migration im Hochglanzformat im Wiener Museum für Völkerkunde.

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Es ist brütend heiß in Wien an diesem letzten Samstag im Juli. Im Museum für Völkerkunde am Heldenplatz ist es dagegen angenehm kühl. Hier findet die Abschlussveranstaltung des Projekts "Was hast du mitgebracht?" statt. Die gleichlautende Frage hatte das Museum im Februar Migranten gestellt. Die Gefragten antworteten mit Foto und einer kurzen Erläuterung, was der jeweilige Gegenstand für sie bedeute. Herausgekommen ist eine Ausstellung, die das Bunte, Exotische und Faszinierende am Fremdsein herauszustreichen versucht und Migration gewissermaßen im Hochglanzformat präsentiert. Nun wird der Projektabschluss gefeiert, mit einer lateinamerikanischen Band, Vorträgen und Diskussionen zum Thema Museum und Migration.

Während die Band im Festsaal den Soundcheck macht, erzählt Adriana Muñoz, Kuratorin am Weltkulturmuseum in Göteborg und eine der eingeladenen Vortragenden, wie man als Kurator das Thema Migration in der Museumsarbeit aufarbeiten kann, ohne Stereotype zu reproduzieren. Die studierte Archäologin, die aus Argentinien nach Schweden eingewandert ist, schöpft aus ihrer eigenen Migrationserfahrung, um in ihrer Arbeit als Kuratorin ethnische Stereotype zu hinterfragen: "Es wird in der ethnografischen Museumsarbeit viel zu wenig darüber reflektiert, welche Klischees in unserer Arbeitspraxis reproduziert werden", bedauert Muñoz.

Das Museum für Völkerkunde in Wien fragte: "Was hast du mitgebracht?"

Kategorisierung als Machtausübung

Die klassische Ethnografie war mit dem Kategorisieren von Menschen und Objekten in ethnisch homogene Gruppe beschäftigt. "Es wurden eigentlich auch ethnische Identitäten konstruiert. Ein Kurator sieht eine Gruppe von Personen als homogene Masse. Das Problem ist aber, dass aus solchen Klischees und Kategorisierungen nur ein Bild, nur eine Masse mit einer Stimme entsteht", meint Muñoz.

Das Dekonstruieren von Klischees erachtet sie als sehr wichtig in der ethnografischen Museumspraxis. Vor allem, wenn es darum geht, die Bevölkerung selbst in die Konzeption der Ausstellungen einzubinden. Für die Ausstellung "Destination X", die verganenes Jahr im Weltkulturmuseum in Göteborg zu sehen war, wurden Menschen mit und ohne Migrationshintergrund dazu aufgerufen, Objekte, die sie mit dem Thema Reisen und Fortbewegung verbinden, mitzubringen. Einwanderer, Nomaden, Backpacker und Wallfahrer folgten dem Aufruf und brachten Gegenstände mit, die für sie das Unterwegssein von einem Ort zum anderen symbolisieren.

Museumsarbeit wie im Krankenhaus

Für Muñoz ist es auch wichtig, die klassische Herangehensweise an die Museumsarbeit zu ändern. "Wir nähern uns den Objekten wie in einem Krankenhaus, mit Handschuhen. Die Objekte sollen sauber sein. Das hat viel mit Hygiene zu tun, aber eine Beziehung zum Objekt gibt es nicht." Sie selbst ertappt sich ebenfalls dabei, wie sie in dieser Weise Objekte für Ausstellungen aufbereitet.

"Patera Migration"

Bei einer Recherchereise in Spanien ist sie auf eine "Patera" gestoßen - das sind die kleinen Fischerboote, mit denen Flüchtlinge versuchen, von Afrika über den Meeresweg nach Europa zu gelangen. "Bei der Ausstellung in Schweden stand nur das Boot im Raum; die Menschen, die damit nach Spanien geflüchtet sind, ihre Geschichten und ihre Beziehung zu dieser Patera, das alles war nicht zu sehen, obwohl ich ja mit diesen Menschen gesprochen hatte." Am Ende waren im Katalog nur Informationen zum Herkunftsort des Bootes zu lesen. Über die Menschen, die damit transportiert wurden, über die "Patera Migration", bei der jedes Jahr schätzungsweise tausend afrikanische Flüchtlinge ertrinken, war nichts zu lesen.

Traditionen hinterfragen

Für Muñoz ist es daher wichtig, die herkömmliche ethnografische Praxis zu hinterfragen. Zu den Anfängen gibt es kein Zurück mehr: "Damals waren auf den Fotos immer die Namen der bekannten Anthropologen zu lesen, aber niemals die Namen der fotografierten Afrikaner", kritisiert Muñoz. Sie versucht bei Ausstellungen auch die aus Lateinamerika oder Afrika eingeladenen Vertreter einzubinden und ihnen die Freiheit zu geben, Objekte selbst auszusuchen, "alles andere wäre paternalistisch".

Identitätssuche im Museum

In Göteborg, wo rund 20 Prozent der Bevölkerung Migrationshintergrund haben, wird im "Museum of World Culture" auch versucht, nicht nur jene Migranten einzubeziehen, die im Beliebtheitsranking der Schweden ganz weit oben stehen wie die Lateinamerikaner, sondern auch diejenigen, die in der Öffentlichkeit und den Medien als Problemgruppe gelten, zum Beispiel die somalischen Flüchtlinge.

Schließlich zieht Muñoz eine Parallele zwischen der Erfahrung der Migration und der ethnografischen Museumsarbeit. So wurden für eine Ausstellung im Weltkulturmuseum alte Tonvasen rekonstruiert, nachdem sie für den Transport zerbrochen werden mussten, weil sie zu groß waren. Bei der Migration ist es nach Ansicht von Muñoz genauso: "Wenn man in ein anderes Land zieht, muss man sich auch von Neuem sammeln und eine neue Identität finden." (Güler Alkan/Mascha Dabić, daStandard.at, 1.8.2012)