Wien - Die rund 3.000 Schlecker-Beschäftigten in Österreich können vorerst aufatmen. Mit der Übernahme der schwer angeschlagenen Drogeriekette durch den Investor Rudolf Haberleitner sind ihre Jobs erst einmal gesichert. Auch ums Geld müssen sie nicht mehr zittern. "Die Juli-Gehälter wurden wie immer am Monatsende angewiesen", sagte Gewerkschafter Manfred Wolf am Mittwoch. Der GPA-Funktionär will dem neuen Geschäftskonzept - aus den Schlecker-Filialen sollen Nahversorger namens "daily" werden - eine Chance geben

"Die Konsumenten und der Markt werden sich überraschen lassen müssen, was passiert", sagte Wolf. Die Gewerkschaft ist positiver Dinge. Am Dienstag sei bereits die Betriebsratsspitze von Haberleitner über die Pläne informiert worden. "Sie hatten einen sehr guten Eindruck." Auch die Gewerkschaft selbst habe bereits "die Fühler ausgestreckt" und wolle rasch mit Haberleitner ins Gespräch kommen.

Für die Mitarbeiterinnen sei durch die am Dienstag bekanntgegebene Übernahme "viel Last weggefallen", das zeigten erste Reaktionen der Beschäftigten. Der österreichische Finanzinvestor TAP 09 um Haberleitner kauft nicht nur die von der Zahlungsunfähigkeit bedrohte Österreich-Tochter des deutschen Schlecker-Konzerns, sondern auch Schlecker-Filialen in Italien, Polen, Belgien und Luxemburg. Der Kaufvertrag wurde am Montagabend in Linz unterschrieben.

Mehr Filialen kommen

Haberleitner will die Anzahl der heimischen Filialen bis 2016 ausbauen. Derzeit betreibt Schlecker in Österreich rund 900 Filialen, binnen vier Jahren sollen es bis zu 1.150 sein, erklärte Haberleitner in der "ZiB 24" in der Nacht auf Mittwoch. "Es ist absolut daran gedacht - auch in Österreich -, die Filialen jetzt zu halten und noch auszubauen", so der 67-Jährige.

TAP 09 übernimmt insgesamt 4.600 Mitarbeiter in 1.350 Filialen in Österreich, Italien, Polen, Belgien und Luxemburg. Garantieren könne "niemand etwas", aber "unser Plan ist, bis 2016 auf 1.980 Filialen" auszubauen, so Haberleitner. Schlecker soll vom Drogeriemarkt zu einer "echten Nahversorgungskette" mit dem Namen "daily" umgewandelt werden. Die Lebensmittelkomponente solle dabei nur acht Prozent des gesamten Umsatzes betragen, betonte der Investor. Außerdem dementierte er den von Mitarbeiterinnen zuvor kolportierten Wegfall der Eigenmarken - mit diesen gebe es einen Vertrag bis 2019. "Die Lieferanten stehen voll zu uns", so Haberleitner.

Gewerkschaft freut sich

Auch die Mitarbeiter will der neue Firmenchef halten und zu den Konditionen übernehmen, "die sie bisher hatten". "Das ist unser volles Vorhaben", sagte Haberleitner. In fünf bis zehn Jahren will TAP 09 dann entscheiden, "ob wir das Unternehmen an die Börse bringen oder weitere Investoren zulassen".

Die couragierte Ankündigung, möglichst alle Mitarbeiter halten zu wollen, freut auch die Gewerkschaft. "Der Eigentümerwechsel von Schlecker Österreich bringt für tausende Beschäftigte eine konkrete Perspektive und jedenfalls die Hoffnung auf den Erhalt der Arbeitsplätze. Das stellt für die Betroffnen, zum großen Teil auch in ländlichen Regionen eine große Erleichterung dar, "so der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp), Wolfgang Katzian, in einer Aussendung.

Kreditversicherer skeptisch

Die größten heimischen Kreditversicherer Prisma und Coface haben auf die Übernahme von Schlecker Österreich durch Haberleitner zurückhaltend reagiert. "Das Konzept wirft viele Fragen auf. Außerdem müssen wir wissen, wer als Investor dahinter steht", sagte Prisma-Vorstandsdirektorin Bettina Selden am Mittwoch. Zur Zeit könne man die Bonität des Finanzinvestors nicht einschätzen.

Daher werde Prisma derzeit auch keine Warenkreditversicherungen für Schlecker/"daily" übernehmen. Gelieferte, aber noch unbezahlte Produkte und Dienstleistungen werden als Warenkredite bezeichnet. Diese offenen Forderungen der Lieferanten sichern Kreditversicherer wie Prisma und Coface gegen Nichtzahlung ab. Ohne grünes Licht der Versicherer muss "daily" alle Lieferungen sofort bar bezahlen. Die Prisma-Managerin hält es für ausgeschlossen, dass man alle 900 Schlecker-Filialen in Österreich erhalten kann. "Das Konzept hat Chancen in gewissen Regionen". Wenn es aber so leicht wäre, hätte es schon ein anderes Handelsunternehmen gemacht. Haberleitner müsste Details zum Finanzierungskonzept sowie Banken- und Lieferantenverbindungen bekanntgeben. Mit dem derzeitigen Informationsstand werde man abwarten, betonte Selden.

Konzept in ein bis zwei Monaten

Coface Austria zeigte sich in einer schriftlichen Stellungnahme erfreut, dass es für Schlecker Österreich mit "daily" einen Neustart geben könne, forderte aber weitere Informationen zum Finanzkonzept ein. Das Geschäftsmodell der Nahversorgung sei in einem hartumkämpften Markt "durchaus herausfordernd". "Sobald alle für unsere Einschätzung notwendigen Informationen transparent und offengelegt sind, ist Coface Austria jedenfalls bereit, in weitere Gespräche einzusteigen", erklärte der Kreditversicherer.

Die neuen Eigentümer wollen erst in ein bis zwei Monaten ihr konkretes Konzept für die Drogeriemarktkette der Öffentlichkeit vorstellen. "Derzeit werden noch viele zusätzliche Ideen geprüft, im Bereich Dienstleistungen etwa als Postpartner oder als Wäscherei", sagte der Wiener Anwalt Franz Guggenberger, der selbst an der Übernahme beteiligt ist. Der Umbau zu einer Nahversorgungskette soll dann im Herbst erfolgen. (APA, 1.8.2012)