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Konsolidierung, Strukturreformen, all das könne die Zentralbank den Regierungen und Staaten nicht abnehmen.

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Die großen Erwartungen vor der Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag könnten enttäuscht werden, glaubt Erste-Analystin Mildred Hager. Auch von der US-Notenbank Fed erwartet sie eher Hinweise auf die zukünftige Geldpolitik denn konkrete Handlungen.

derStandard.at: EZB-Chef Mario Draghi hat mit seinem Bekenntnis zur Rettung des Euro höchste Erwartungen an die Ratssitzung am Donnerstag geweckt. Anleger interpretierten seine Worte als Ankündigung unbegrenzter Käufe von Anleihen schuldengeplagter Staaten wie Spanien oder Italien. Ist das ein Bluff, um Spanien aus der Schusslinie zu bekommen?

Hager: Ein Bluff in dem Sinn, dass jetzt gar keine Ankündigungen kommen würden, ist es nicht. Wir rechnen aber eher mit beschränkteren Maßnahmen wie zum Beispiel einer modifizierten Wiederaufnahme des Anleihen-Ankaufsprogramms. Allerdings stehen noch ein paar Fragen zur Debatte. Es gibt ja Gründe, warum die EZB das Anleihen-Ankaufprogramm für ein paar Monate stillgelegt hat.

derStandard.at: Warum hat sie?

Hager: Der erste Grund ist natürlich die Konditionalität. Es wäre jetzt die Frage, ob die nicht in gewisser Weise garantiert sein müsste. Die EZB kann ja im Namen des EFSF ankaufen, in diesem Fall wäre das Land einer strikten Konditionalität unterworfen. Es stellt sich die Frage, wie das sonst ausgestaltet werden würde. Herr Draghi hat sich in seinen Kommentaren explizit dahingehend geäußert, dass die Renditeaufschläge, die in das Mandat der EZB fallen, nur diejenigen sind, die nicht auf Kreditrisiko zurück zu führen sind. Von daher ist nicht damit zu rechnen, dass die EZB Richtung monetäre Finanzierung geht.

derStandard.at: Nun gibt es ja vor allem von deutscher Seite heftigen Widerstand gegen eine Banklizenz für den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM. EZB-Mitglieder äußern sich zum Thema durchaus kontrovers. Den Stabilitätspredigern verschenkt die EZB zu viel Geld . Wie ist Draghi diesbezüglich einzuschätzen?

Hager: Bisher hat der EZB-Chef ganz klar das Mandat der Preisstabilität gewährleistet und wird dies aus unserer Sicht auch weiterhin tun. Dieses Mandat beinhaltet ja nicht nur Preisdruck nach oben, die EZB hat auch Handlungsbedarf, wenn Preisabwärtsdruck entsteht.

derStandard.at: Draghis Worte "alles zu tun" sind also unter Vorbehalt zu verstehen?

Hager: Der genaue Wortlaut war: "Wir werden innerhalb unseres Mandates alles tun."

derStandard.at: Das innerhalb unseres Mandates ist zuletzt eher unter den Tisch gefallen...

Hager: So ist es. Draghis Formulierung war aber sehr, sehr präzise. Diesen Teil sollte man auf keinen Fall weglassen. Wenn einzelne Marktteilnehmer jetzt davon ausgehen, dass die EZB unbegrenzt im großen Ausmaß Anleihen jeglicher Art ankaufen wird, dann sind solche Spekulationen übertrieben. Aber noch einmal: Die EZB wird schon Maßnahmen ergreifen. Am Donnersag und vielleicht auch später im Jahr. Auch wichtige Maßnahmen. Aber wenn die Markterwartungen noch höher sind, werden auch wichtige Maßnahmen als enttäuschend wahrgenommen.

derStandard.at: Nachdem gewissermaßen keine Kehrtwendung in der Ausrichtung der EZB-Politik zu erwarten ist: ist der Schluss zulässig, dass man in der EZB überzeugt ist, dass die großen Lösungen für die Krise in der Politik zu finden sind?

Hager: Absolut. Darauf weist die Zentralbank auch immer hin. Konsolidierung, Strukturreformen, all das kann die Zentralbank den Regierungen und Staaten nicht abnehmen. Die wirklich fundamentalen Probleme, die es auch neben der Geldpolitik zu lösen gibt, sind und bleiben in den Händen der Staaten. Da kann, will und wird die Zentralbank nichts zur Lösung beitragen.

derStandard.at: In den USA wurden ebenfalls keine weltbewegenden Fed-Entscheidungen erwartet.

Hager: Wir erwarteten eher Hinweise auf die zukünftige Geldpolitik: Bewegt sich die Fed mehr in Richtung Ankäufe, wie bedenklich ist aus ihrer Sicht die momentane Wirtschaftslage, muss noch mehr getan werden, wird eventuell über Ankäufe hinaus über Verstärkung des Zinscommitments nachgedacht. Konkrete Ankündigungen sind für diesmal aus mehreren Gründen unwahrscheinlich. Vor allem hat sich der Arbeitsmarkt zwar nur schwach entwickelt, allerdings war zuletzt eine gewisse Stabilisierung zu verzeichnen. Es wäre von den realwirtschaftlichen Daten jetzt womöglich verfrüht, Handlungen zu setzen. Wenn sie genug Gewissheit hat, wird sie aber nicht zögern, nochmals die Wirtschaft zu stützen. (Regina Bruckner, derStandard.at, 2.8.2012)