Wenn linksradikale Oppositionspolitiker und abgebrühte Unternehmerbosse sich einig sind, muss wohl etwas dran sein an der Kritik des Sparprogramms, das Europa und der IWF den Griechen auferlegt haben. " Griechenland war von Anfang an isoliert und ein Versuchskaninchen", sagt Dimitris Daskalopoulos, Chef des griechischen Unternehmerverbands SEV: " Und diese Situation dauert an."

Daskalopoulos hat dem EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso einen Brief zugesteckt, als der vergangene Woche zum ersten Mal seit Ausbruch der Finanzkrise in Athen vorbeischaute. Die ganze Richtung stimme nicht. Weniger als 15 Prozent der Mittel aus den Rettungskrediten seien in der realen Wirtschaft Griechenlands angekommen, stand in Daskalopoulos' Brief - der große Rest werde für Zins und Tilgung der Staatsschulden aufgebraucht. Griechenland stecke in einem sich selbst erhaltenden Kreislauf von Steuererhöhungen, Rückgang von Einkommen, Rezession, Anstieg der Haushaltsverschuldung, neuen Steuererhöhungen.

Abweichung von Zielen

Höchste Zeit für eine Kurskorrektur. "Wir erwarten heute etwas mehr Realismus von den Europäern", sagt Daskalopoulos in einem Gespräch mit dem Standard. "Wir haben zwei Jahre Erfahrung mit den Kreditvereinbarungen und eine sehr große Abweichung von den Zielen - wegen mangelnden Willens griechischer Politiker, aber auch aufgrund der Prioritäten, die die Troika gesetzt hat."

"Die griechischen Firmen waren gesund und nicht verschuldet, sie sind vom öffentlichen Sektor erdrückt worden. 30 Jahre Missmanagement durch die Politiker haben dazu geführt", sagt Dimitris Daskalopoulos, Sohn einer Unternehmerfamilie, die mit der Herstellung von Eiscreme in Griechenland groß wurde und deren Betrieb er zu Vivartia, dem größten Lebensmittelkonzern des Landes, ausgebaut hatte. 2007 verkaufte Daskalopoulos alles, verlegte sich auf das Sammeln moderner Kunst und managt Portfolios. Nur die Privatwirtschaft könne das Land jetzt aus der Krise bringen, sagt er. "Im Moment aber können wir wegen der Kreditklemme der griechischen Banken nichts tun, nicht die einfachsten Transaktionen, ganz zu schweigen von Investitionen."

Die Unternehmer verlangen sofortige Entscheidungen: die Freigabe von sieben Milliarden Euro, die bereits vorgemerkt sind für die Zahlung von Rückständen des griechischen Staats beim Privatsektor; die Erstreckung der Sparmaßnahmen um zwei Jahre auf 2016; und den Verkauf aller griechischen Anleihen, die von der EZB gehalten werden - zum niedrigeren Preis als den Nennwert, um Kapital für Athen freizumachen. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 1.8.2012)