Innsbruck - Die Behindertenorganisation Lebenshilfe Tirol sieht sich erneut mit Vorwürfen konfrontiert - diesmal in Bezug auf eine Zwangssterilisation. Eine 34-jährige Tirolerin gab am Montag gegenüber "Radio Ö1" an, vor rund drei Jahren gegen ihren Willen sterilisiert worden zu sein. Ihr sei die Einverständniserklärung zur Unterschrift vorgelegt worden, ohne sie lesen zu dürfen. Die Frau überlege eine Klage. Vonseiten der Lebenshilfe war für die APA vorerst niemand erreichbar.

Sterilisation bei routinemäßigen Besuch bei einem Frauenarzt

Die Sterilisation sei im Jahr 2009 nach einem routinemäßigen Besuch bei einem Frauenarzt im Spital durchgeführt worden. Als der Betroffenen die Einverständniserklärung von einer Betreuerin und einem Arzt vorgelegt worden sei, habe sie sich geweigert: "Ich habe gesagt: Das will ich nicht unterschreiben. Ich habe das nicht einmal lesen dürfen. Irgendeiner hat dann gesagt, ich muss das unterschreiben, sonst flieg' ich aus der Lebenshilfe raus und bekomme Probleme", wurde die 34-Jährige zitiert. Die Tirolerin sei ohne Schilddrüse geboren worden. Auch aufgrund traumatischer Erlebnisse in der Kindheit gelte die Frau als behindert.

Eileiter abgeklemmt

Im Anschluss seien der Betroffenen unter Narkose die Eileiter abgeklemmt worden. Seither fühle sie sich als Frau abgewertet. "Ich hab kein Vertrauen mehr gehabt in die Menschen, ich war so enttäuscht und so verletzt. Ich fühle mich nicht mehr wie eine Frau", meinte sie. Mit Unterstützung ihrer Sachwalterin wolle sie nun versuchen, die Sterilisation aufheben zu lassen. Die 34-Jährige und ihr Freund wünschten sich ein Kind. Allerdings liege die Chance, die Sterilisation rückgängig zu machen, laut der Frauenärztin der Betroffenen bei lediglich 50 Prozent. 

Laut Organisation war es "eigener Wille"

Die Lebenshilfe Tirol hat am Montag die Vorwürfe der Frau zurückgewiesen. "Die Klientin war zum Zeitpunkt nicht besachwaltet, das heißt, es war ihr eigener Wille", sagte Oliver Gosolits, Geschäftsführer der Behindertenorganisation. Die Betroffene habe kein sogenanntes Abhängigkeitsverhältnis mit der Lebenshilfe gehabt, sondern sei nur punktuell begleitet und unterstützt worden, führte er weiter aus.

Die Frau habe ihre eigene Wohnung gehabt, sei also völlig eigenständig gewesen. Sowohl in finanzieller und medizinischer Hinsicht sei sie in ihrer Entscheidung frei gewesen. Vonseiten der Lebenshilfe sei sie nur stundenweise, in Belange wo sie Hilfe benötige, begleitet worden. Diese ambulante Betreuung sei laut Gosolits nach wie vor aufrecht.

Aufarbeitung

Um die Vorwürfe zu entkräften, bezog sich der Geschäftsführer zudem auf einen ihm vorliegenden Bericht des Krankenhauses, wo die Sterilisation damals durchgeführt worden war. Auch darin wurde erklärt, dass der Wille der Patientin gegeben sei. Weiters sei bei der Patientin ein psychiatrisches Gutachten gemacht worden. Des weiteren habe auch die Krankenkasse die Kostenübernahme befürwortet, zählte Gosolits die einzelnen Punkte auf.

"Die Aufarbeitung liegt uns am Herzen", versicherte er verwies dabei auf "volle Transparenz". Der Lebenshilfe sei es ein großes Anliegen, sich für Partnerschaften und Kinder für Menschen mit Behinderung einzusetzen, meinte der Geschäftsführer. Diesbezüglich gebe es bereits konzeptionelle Vorüberlegungen für eine sogenannte "begleitete Elternschaft". (APA, 1.10.2012)