Wien - Um deren Entwicklung und Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen besser zu verstehen, studieren Biologen bei Menschen, Tieren und Pflanzen möglichst viele Zellen, Individuen und Gene gleichzeitig - vorzugsweise mit wenig Aufwand und über einen langen Zeitraum. Zu diesem Zweck hat nun Wolfgang Busch vom Gregor Mendel Institut (GMI) für molekulare Pflanzenbiologie der Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit US-Forschern ein weitgehend automatisiertes System entwickelt, mit dem man die Genaktivitäten in 64 Wurzeln der Ackerschmalwand, dem beliebtesten Modellorganismus der Pflanzenforscher, gleichzeitig aufzeichnen kann. Wie dies funktioniert, haben sie in der aktuellen Ausgabe von "Nature Methods" veröffentlicht.

Vorteile des "RootArray"

Mit dem sogenannten "RootArray" können die Forscher auch persönliche Unterschiede in der Genaktivität bei den Sprösslingen erkennen. "Man kann einzelne Individuen, ohne sie zwischendurch zu manipulieren, über eine Zeit lang beobachten, und zwar mit zellulärer Auflösung und mehreren Replikaten", erklärte Busch. Bei vielen Studien in der Vergangenheit seien hingegen entweder die Statistik oder die zeitliche Dimension vernachlässigt worden, so Busch. Außerdem könne man beim "RootArray" die Flüssigkeit, in der die Wurzeln wachsen, austauschen und so die Genaktivitäten bei unterschiedlichen Bedingungen verfolgen.

Zunächst sucht ein einfaches Mikroskop die Wurzeln in den Wachstumskammern. Die interessanten Regionen werden anschließend mit einem hochauflösenden Konfokalmikroskop gescannt. Eine speziell entwickelte Software findet in den hoch aufgelösten Bildern auch die Konturen und die Mittelachse der Wurzel und markiert unterschiedliche Geweberegionen. Nur eine zwischengeschaltete Qualitätskontrolle muss vom Forscher selbst gemacht werden.

Die Zeit als limitierender Faktor

Das Einzige, was an der Technologie limitierend ist, sei die Zeit, sagte Busch. Deshalb habe man in der Studie vor allem Zellgruppen, also Gewebe, angesehen. Im Prinzip könne man auch einzelne Zellen oder kleinere Strukturen aufspüren. "Es würde dann aber sehr lange dauern, bis man eine ganze Wurzel aufgenommen hat, weil man dafür viel mehr Bilder machen muss", erklärte er. Am GMI nimmt das System etwa 2.400 Einzelbilder pro Stunde auf. Aus jeweils 40 davon wird ein dreidimensionales Bild zusammengesetzt.

In der Studie testeten die Forscher das System mit verschiedenen Wachstumsbedingungen, etwa Eisen- oder Schwefelmangel. Außerdem verglichen sie Pflanzen, die unter gleichen Bedingungen wuchsen. Dabei fanden sie heraus, dass manche Gene bei den einzelnen Individuen unterschiedlich stark aktiv waren und andere kaum variierten.

Für Busch geht es in der Biologie zurzeit darum, das Schubladen- und Schwarz-Weiß-Denken abzulegen: "Es gibt statistisches Rauschen in biologischen Systemen und Verschiedenartigkeit zwischen biologischen Individuen - und dies muss man messen, um das ganze System verstehen zu können". (APA, 1.10.2012)