Kärnten ist ein Sumpf. Das ist jetzt von der Justiz, wenn man ihr folgen mag, offiziell bestätigt. Ein politischer Sumpf, eingebettet in eine nette, freundliche Postkartenlandschaft. Kärnten ist Österreich - ohne Tourismusidylle - im Kleinen. Ein Geben und Nehmen, irgendwo zwischen Freunderlwirtschaft und Korruption.

Die Justiz nennt das Untreue. Am Klagenfurter Landesgericht setzte es am Montagabend dafür hohe Strafen, für manche sind das drakonische Urteile. Fünfeinhalb Jahre für den ehemaligen Kärntner ÖVP-Chef Josef Martinz. Das bedeutet aus heutiger Sicht Gefängnis. Zuvor natürlich Berufung.

Der Steuerberater Dietrich Birnbacher kam auf drei Jahre, zwei davon bedingt auf drei Jahre. Birnbacher war als einziger geständig gewesen - und er war damit durchaus gut beraten. Die mitangeklagten Vorstände der Kärntner Landesholding fassten zwei und drei Jahre Gefängnis aus.

Es ging im Verfahren um den Verkauf der Hypo-Alpe-Adria-Bank, kurz gesagt um Untreue. Sechs Millionen Euro hatte Birnbacher, Steuerberater von Martinz, für ein Gutachten kassiert, das im Nachhinein einhellig als unnötig angesehen wird. Das Geld hätte aufgeteilt werden sollen, auch die ÖVP und die Freiheitlichen hätten davon etwas abbekommen sollen.

Dieser Vorgang ist sehr anschaulich, fast schon plakativ vereinfachend: Wenn es um vermeintliche Landesinteressen geht, werden immer auch andere Interessen bedient. Das ist in der Republik kaum anders, das macht das Urteil auch über die Grenzen Kärntens hinaus spannend und wichtig. Da werden jetzt wohl einige schlecht schlafen, die das System von Geben und Nehmen verinnerlicht haben und als Teil des politischen Alltagsgeschäfts verstehen.

Jörg Haiders Gesinnungsfreunde, seine Weggefährten und Nachfolger hatten und haben dieses System mit perfider Konsequenz zur Perfektion gebracht. Es muss immer auch etwas für die Partei (oder für sich selbst) herausschauen. Mit dem Betrieb des Landes wurde auch der eigene Machterhalt abgesichert.

Dieses System wankt. Das ist zu einem guten Teil auch dem Birnbacher-Prozess zuzuschreiben. Wichtiges Momentum war das Geständnis Birnbachers - nicht ohne Nutzen für ihn selbst. Der setzte auf Strafminderung durch tätige Reue. Das hat, vergleicht man sein Urteil mit jenem von Martinz, funktioniert.

Bitter für die Hypo-Vorstände: Sie wurden für ihr fehlendes Rückgrat bestraft. Sie hatten nur gemacht, was ihnen gesagt wurde. Sie waren Mitläufer, Karrieristen, politische Statisten. Zugunsten ihrer gut bezahlten Jobs hatten sie ohne viel Murren umgesetzt und mitgetragen, was ihnen angeschafft wurde. Die Urteile könnten Wirkung haben: Dass andere Manager im politischen Umfeld, in staatsnahen Betrieben mehr Mut zum Anstand und zur eigenen Meinung finden.

Typisch für Kärnten, typisch für Österreich: Die Justiz brauchte etliche Anläufe, ehe sie in die Gänge kam. Letztendlich ist dieser Prozess der Hartnäckigkeit des grünen Abgeordneten Rolf Holub zu verdanken.

Dieser Prozess und sein Ausgang sind bedeutsam für das Land. Die Sümpfe sind nicht trockengelegt, aber eingegrenzt. Auf Bundesebene fehlt ein solcher Prozess noch, das könnte jener gegen Karl-Heinz Grasser sein, der sich bereits abzeichnet, oder, noch viel brisanter, einer gegen Bundeskanzler Werner Faymann in der Inseratenaffäre. Das Land wäre reif. (Michael Völker, DER STANDARD, 2.10.2012)