Bild nicht mehr verfügbar.

Feuerbestattung erlebt in Österreich starken Aufwind. In Vorarlberg gehen mehr als 75 Prozent den Weg der Einäscherung.

Foto: dpa/Andreas Gebert

Wien - Menschen nach ihrem Ableben als Sondermüll zu deklarieren sei schlicht Unfug, sagt Thilo Hofmann, der an der Universität Wien das Institut für Umweltgeowissenschaften leitet. "Eine Leiche ist so giftig wie ein totes Huhn, nämlich gar nicht." Bis auf Milzbranderreger überlebten infektiöse Keime den Tod nicht. Medikamente würden in der Regel verstoffwechselt. Auch von den meisten Schwermetallen im Körper gehe keine Umweltgefahr aus. "Laub von Bäumen in der Stadt ist weit stärker belastet als der Mensch."

Die Krux mit den Zähnen

Eine makellose Ökobilanz stellt Hofmann sterblichen Überresten dennoch nicht aus. Die Krux liegt in den Zähnen. Geschätzt 18 Tonnen Quecksilber sollen die Österreicher in den Amalgamplomben tragen. Jährlich rund 40 Kilo werden über Krematorien in die Luft geblasen, meint Hofmann, der dafür Berechnungen des Umweltbundesamts heranzieht. Mehr als 160 Kilo gelangten demnach über die Erdbestattung in den Boden.

Um das Problem an der Wurzel zu packen, bräuchte es ein Verbot des Amalgams, sagt Hofmann dem STANDARD. "Nach zehn bis 15 Jahren wäre es gelöst. Es ist eine Willensfrage." Aber auch die Krematorien entlässt der Wissenschafter nicht aus der Verantwortung: Viele setzten nach wie vor keine entsprechenden Filter ein. Die Branche, bestehend aus zehn Anlagen quer durch Österreich, lässt diese Kritik jedoch nicht auf sich sitzen.

Fast alle hätten nachgerüstet, 90 Prozent seien mit neuen Filtern ausgestattet, ist Claus Kergel, der das einzige Vorarlberger Krematorium in Hohenems betreibt, überzeugt. Diese funktionierten praktisch wie Kaffeefilter. Und was an Schwermetallen dann noch emittiert wird, "das unterschreitet die EU-Grenzwerte ums Zehnfache". Wer wöchentlich eine Dose Tunfisch esse, sammle mehr Quecksilber an, als wer die Abgase der Anlagen einatme. Peter Janovsky, Geschäftsführer des Wiener Krematoriums, sieht ebenso alle Auflagen erfüllt: Diese seien streng und erlaubten wenig Spielraum.

"Bewusstsein schaffen"

Für Hofmann aber tun sich nach dem Tod noch andere Risiken auf: in der Gestalt plutoniumbetriebener und radioaktiver Herzschrittmacher. Diese wurden in den 70er-Jahren etwa in Deutschland implantiert. Bei der Feuerbestattung werden sie, um Öfen nicht explodieren zu lassen, entfernt. Bei der Erdbestattung sei dem nicht immer so. Die Betroffenen seien in Österreich anders als in Deutschland nicht registriert. "Man findet dazu hierzulande nichts, und das macht mich stutzig." Auch wenn keiner gern darüber rede, zumindest bei den Totengräbern gehöre Bewusstsein dafür geschaffen.

Österreichweit starben im Vorjahr rund 76.500 Menschen. Ökologisch tun lässt sich das aus Sicht der Wissenschaft in unbehandelten Weichholzsärgen, ohne Lacke und Lösungsmittel. Verwesungsbeschleuniger seien unnötig, sagt Hofmann. Sofern der Friedhofsboden gut belüftet sei, nicht zu tonig und ohne Staunässe. Für Verwitterung braucht es Sauerstoff - die Aufbahrung von Toten in früheren Zeiten fördert den Verfall. Falsch angelegte Friedhöfe, deren es etwa im Wienerwald einige gebe, zögerten ihn aber über Jahrzehnte hinaus. Etliche Tote mumifizieren dort zu Wachsleichen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 31.10.2012