Damaskus -  Die in einem Video gezeigte Erschießung syrischer Soldaten durch mutmaßliche Rebellen ist nach Einschätzung der Vereinten Nationen "sehr wahrscheinlich ein Kriegsverbrechen". Es sei zwar "schwer zu überprüfen, wer beteiligt ist", sagte ein Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Genf am Freitag. Wahrscheinlich gebe es aber "einmal mehr" ein Kriegsverbrechen im Syrien-Konflikt.

Das am Donnerstag von Aktivisten veröffentlichte Video zeigt mutmaßliche Rebellen, die rund ein Dutzend verletzter Soldaten beschimpfen und auf diese einschlagen, bevor sie die Gefangenen töten. Die Tat ereignete sich laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bei der Einnahme von Armeestellungen in der nordsyrischen Region Sarakeb.

Video soll als Beweis dienen

Das UN-Hochkommissariat rufe "einmal mehr alle Konfliktparteien auf, die internationale humanitäre Gesetzgebung zu respektieren", sagte der Sprecher Rupert Colville. Keiner der Beteiligten dürfe darauf setzen, dass Menschenrechtsverletzungen nicht geahndet würden. Wenn sich das Video als echt erweise, könne es in einem Prozess als "Beweis" dienen.

Die US-Regierung und die syrische Opposition streiten, wer für die Radikalisierung der syrischen Revolution verantwortlich ist. Die Rebellen und die Truppen von Präsident Bashar al-Assad verüben weitere Kriegsverbrechen. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter veröffentlichte am Donnerstag eine Videoaufnahme, die zeigt, wie Angehörige einer Rebelleneinheit in der syrischen Provinz Idlib mehrere gefangene Soldaten erschießen.

Nach Angaben der Organisation, die der Opposition nahesteht, wurde das Video nach einem Angriff von Kämpfern der Opposition auf einen Kontrollpunkt der Regimetruppen nahe der Ortschaft Sakarib aufgenommen. Es zeigt, wie am Boden liegende Männer, die teilweise Uniform tragen, erst getreten, beschimpft und dann erschossen werden.

Dutzende Tote

Bei Angriffen der Rebellen auf drei Straßensperren der Regierungstruppen im Bezirk Sarakib sollen insgesamt 28 Soldaten und fünf Kämpfer getötet worden sein. Landesweit kamen laut Aktivisten mehr als 120 Menschen ums Leben.

US-Außenministerin Hillary Clinton hatte am Mittwoch während eines Besuches in Kroatien scharfe Kritik am Syrischen Nationalrat (SNC) geübt. Sie sagte: "Was wir brauchen, ist eine Opposition, die alle Teile der Gesellschaft und alle Regionen vertritt. Und wir brauchen auch eine Opposition, die sich öffentlich klar gegen die Extremisten ausspricht, die versuchen, die syrische Revolution zu kapern." Die jüngsten Berichte über das Einsickern radikaler Islamisten seien sehr besorgniserregend.

Der SNC wies Clintons Kritik nach Angaben arabischer Medien zurück und konterte, der Grund für den wachsenden Einfluss der Islamisten in Syrien sei die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft.

Aufruf zum Heiligen Krieg

In Saudi-Arabien läuft inzwischen eine Debatte darüber, ob Muslime aus anderen arabischen Ländern zum "Jihad" nach Syrien gehen sollten. Der einflussreiche Islamgelehrte Scheich Mohammed al-Oreifi erklärte: "Der Heilige Krieg ist die einzige Lösung für den Krieg in Syrien." Der ebenfalls sehr populäre Scheich Salman Al-Auda riet jungen Saudis dagegen davon ab, in Syrien zu kämpfen. Er begründete seine Auffassung damit, dass das Eindringen ausländischer Kämpfer nach Syrien die Einstellung verschiedener arabischer und europäischer Staaten zugunsten des Regimes beeinflussen könne. Denn die Regierungen dieser Staaten hätten Angst vor einer Ausbreitung des Terrorismus in Syrien.

Seit langem gibt es zudem Anzeichen, dass islamistische Kämpfer aus dem Irak und anderen Ländern zunehmend den Aufstand in Syrien beeinflussen. Einige der kampfstärksten Rebellenbrigaden sollen inzwischen aus radikalen Islamisten gebildet sein.

Zu vielen der blutigsten Anschläge der vergangenen Monate bekannte sich die islamistische Al-Nusra-Front, die vergangene Woche auch die Einstellung des Feuers während des islamischen Opferfests Eid al-Adha ablehnte.

Die syrische Luftwaffe hat unterdessen am Donnerstag erneut Angriffe auf Vororte der Hauptstadt Damaskus und auf Dörfer in der nordwestlichen Provinz Idlib geflogen. Auch in der nördlichen Handelsmetropole Aleppo und in der südlichen Provinz Daraa hielten die Kämpfe an.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete unter Berufung auf Oppositionsaktivisten, Helikopter hätten in Damaskus den südlichen Vorort Hajar al-Aswad angegriffen. Zudem habe nordwestlich der Hauptstadt ein Kampfflugzeug den Vorort Harasta bombardiert.

In der Provinz Idlib hätten Jagdbomber drei Angriffe auf die Dörfer Tell Manass und Maar Schamarin geflogen, erklärte die Beobachtungsstelle. Um das Militärlager von Wadi Deif habe es Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen gegeben. (APA, Reuters, 1.11. 2012)