In fast 40 Jahren Mitgliedschaft hat Großbritannien der europäischen Gemeinschaft wichtige Dienste erwiesen. Mahnungen zu größerer Haushaltsdisziplin, Skepsis gegenüber Wolkenkuckucksheimen, Entschlossenheit zur raschen Einbeziehung Osteuropas nach dem Mauerfall - die Bilanz der Briten in Brüssel kann sich sehen lassen.

Auch diesmal weisen sie, in typisch rauer Manier, auf ein echtes Problem Europas hin: Mitten in einer Haushaltskrise, die viele Mitgliedsländer zu brutalen Sparprogrammen zwingt, mutet es obszön an, wenn sich Kommission und Parlament mehr Geld genehmigen wollen. Er könne das seinen Bürgern nicht zumuten, sagt Premier David Cameron. Die Bürger anderer Nettozahler wie Schweden, Deutschland, Italien oder Österreich dürften das ähnlich sehen. Auch ihnen wäre ein Einfrieren des EU-Budgets recht, wie Cameron es als Minimalforderung formuliert.

Vielleicht fände ein Brite sogar Gehör am Verhandlungstisch, wenn er konstruktive Lösungsvorschläge anzubieten hätte. Die hat Cameron aber nicht. In der Eurokrise lässt London jede Solidarität vermissen, an Schengen beteiligen sich die Briten nicht, die Zusammenarbeit in Justiz- und Polizeifragen wollen sie aufkündigen. Die Abstimmung vom Mittwoch hat bestätigt, was seit längerem feststeht: Großbritannien bewegt sich dem Ausgang zu. Viel spricht dafür, dass die Insel das Brüsseler Budget schon vor Ablauf der Sieben-Jahre-Periode 2020 gar nicht mehr mitträgt. (Sebastian Borger, DER STANDARD, 2.11.2012)