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Heidelberg - Das internationale Forscher-Team des 1000-Genom-Projekts hat das Erbgut von mehr als 1.000 Menschen sequenziert unddamit ihr hoch gestecktes Ziel erreicht. Die Forscher erhoffen sich nun, dass in den Unmengen von Gendaten Hinweise auf die Entstehung von Krankheiten und auf mögliche Therapien zu finden sind. Insgesamt speise diese Studie neue Daten von Menschen aus 14 Populationen in die öffentlich zugängliche Datenbank des Projekts ein, berichten die Wissenschafter im Fachblatt "Nature". Damit lasse sich unter anderem vergleichen, welche genetischen Unterschiede zwischen einzelnen Populationen bestehen.

Das 1000-Genom-Projekt, an dem mehr als hundert Forscher aus zahlreichen Ländern beteiligt sind, startete 2008 mit dem Ziel, das Erbgut von mindestens 1.000 Menschen aus aller Welt zu sequenzieren, also die Abfolge der Genbausteine in der DNA zu ermitteln. In die nun vorgestellte Studie flossen Sequenzdaten von 1.092 Menschen ein.

Im Großen und Ganzen ist das Erbgut aller Menschen identisch. Dennoch gibt es zwischen zwei beliebigen Individuen mehrere Millionen meist kleiner Unterschiede im Aufbau des Erbguts. Zum Beispiel kann ein einzelner Genbaustein gegen einen anderen ausgetauscht sein. Oder mehrere Bausteine sind in eine Gensequenz eingefügt oder daraus verschwunden. Genau um diese Unterschiede geht es den Forschern bei ihrem Projekt. Meist sind sie zwar folgenlos, doch einige werden mit Krankheiten in Verbindung gebracht.

Häufigkeiten von Gen-Variationen

"Die Studie liefert erstmals eine umfassende Karte des menschlichen Erbguts, in die eingezeichnet ist, wie häufig verschiedene Varianten an einer bestimmten Stelle des Erbguts auftreten," erläutert Jan Korbel vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg, der an der Studie beteiligt ist. "Die Untersuchung hat einen hohen wissenschaftlichen Wert, weil sie uns hilft, das Erbgut besser zu verstehen". Darüber hinaus hätten biomedizinische Forscher nun eine umfassende Daten- und Referenzquelle für viele wichtige Fragestellungen zur Hand.

Krebsforscher könnten zum Beispiel vergleichen, an welchen Stellen sich das Erbgut einer Patientengruppe von dem der gesunden Bevölkerung unterscheidet. Sie könnten mithilfe der Datenbank auch prüfen, welche anderen genetischen Auffälligkeiten eventuell mit krankheitsrelevanten Genen oder genetischen Veränderungen zusammenhängen. Dies liefert dann möglicherweise neue Ansätze für Therapien.

Und noch auf eine weitere Einsatzmöglichkeit der Daten in der biomedizinischen Forschung weist Jan Korbel hin: "Neue Medikamente und Therapien werden heute meist an Europäern oder Amerikanern mit europäischen Wurzeln erprobt." Gelegentlich wirkten die Medikamente bei Menschen aus Afrika, Asien oder anderen Kulturkreisen jedoch nicht genau gleich. Zum Beispiel, weil dort eine bestimmte genetische Variante häufig auftritt, die die Medikamentenwirkung beeinflusst. "Aus diesem Grund ist es so wichtig, möglichst globale Sequenzdaten zu haben. Das hilft Forschern, schon im Vorfeld Hinweise auf mögliche Probleme zu finden."

Gen-Daten von fast allen Kontinenten

In der Datenbank des 1000-Genom-Projekts finden sich derzeit Sequenzdaten von Menschen fast aller Kontinente, etwa von den Yoruba in Nigeria oder Italienern aus der Toskana. Genetische Auffälligkeiten einzelner Personen oder Gruppen könnten damit vor dem Hintergrund der genetischen Variation in der jeweiligen Population bewertet werden, schreiben die Forscher.

Sie erfassten mit ihren Sequenzierungsmethoden Varianten, die nur bei einem von hundert Menschen oder sogar seltener auftreten. Insgesamt fanden sie seltene Variationen meist in geografisch enger begrenzten Regionen während häufigere Abweichungen grundsätzlich überall auf der Welt zu finden waren.

"Unsere Untersuchung zeigt, dass jeder augenscheinlich gesunde Mensch Hunderte von seltenen Genvarianten besitzt, die maßgeblich beeinflussen, wie Gene arbeiten", sagt Gil McVean von der britischen Oxford-Universität, der ebenfalls an der Studie beteiligt ist. Eine Handvoll - zwischen zwei und fünf - dieser seltenen Abweichungen seien bereits mit Krankheiten in Verbindung gebracht worden.

Obwohl die Forscher des 1000-Genom-Projekts ihr ursprüngliches Ziel bereits erreicht haben, wollen sie in der nächsten Projektphase weitere 1.500 Genome von zwölf neuen Populationen sequenzieren. (APA/red, derstandard.at, 03.11.2012)