Kiew/Wien - Der ukrainische Botschafter in Wien, Andrii Viktorowytsch Bereznyi, sieht die Kritik der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) an der Parlamentswahl in der Ukraine vom Sonntag politisch motiviert. "Man will offenbar einen Grund finden, um die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens (mit der EU, Anm.) auf das nächste Jahr zu verschieben oder bis zu den Präsidentenwahlen 2015 in die Länge zu ziehen", sagt er im Interview mit der "Presse".

"Und natürlich besteht die Problematik von (dem inhaftierten Ex-Innenminister Juri, Anm.) Luzenko und (der inhaftierten Ex-Oppositionsführerin Julia, Anm.) Timoschenko. Timoschenkos Partei ist sehr populistisch, sie hat sich einfach mit der Demokratie geschmückt", so Bereznyi weiter.

Etwas mehr als 2.000 Ukrainer in Österreich hätten das Recht gehabt, ihre Stimme abzugeben, 354 nahmen laut dem Botschafter an der Wahl teil. Vitali Klitschkos "Udar" kam dabei an erste Stelle mit 96 Stimmen, dann folgt die rechtspopulistische Partei "Swoboda" mit 95 Stimmen, auf Platz drei liegt die "Vereinigte Opposition" von Timoschenko mit 83 Stimmen, und auf Platz vier die Regierungspartei "Partei der Regionen" mit 49 Stimmen.

"Die Menschen, die in Westeuropa leben, sind stärker von europäischen Thematiken beeinflusst, populistische Parteien sind in Europa auch am Wachsen", erklärt Bereznyi dieses Wahlergebnis in Österreich.

Der Botschafter sieht keine Radikalisierung der Wählerschaft in der Ukraine, wo sowohl Nationalisten als auch Kommunisten bei den Wahlen zugelegt haben. "Die heutigen Kommunisten haben sich modernisiert, sie sprechen nicht mehr von Atheismus, sondern von den Rechten der Arbeitnehmer. Ich war am 42. Parteitag der österreichischen Sozialdemokraten eingeladen, und ihre Rhetorik ähnelt jener der Kommunistischen Partei in der Ukraine sehr."

Gefragt, ob es nicht sonderbar sei, dass die Industriellenpartei mit den Kommunisten wohl wieder gemeinsame Sache machen wird, meinte der Botschafter: "Im Prinzip ist das in Österreich doch auch so bei einer Großen Koalition."

Kritische Stimmen zur Wahl vernahm hingegen Roman Haider (FPÖ), der mit den Abgeordneten Wolfgang Großruck (ÖVP) und Hannes Weninger (SPÖ) für Österreich als OSZE-Beobachter unterwegs war. Oppositionelle wie Nationalisten-Chef Oleg Tjagnibok hätten von "massiver Einschüchterung von Kandidaten" berichtet, so Haider zur "Presse".

Der BZÖ-Abgeordnete Gerhard Huber hatte am Mittwoch Unregelmäßigkeiten bei der Parlamentswahl in der Ukraine zurückgewiesen.

Die OSZE hatte die Wahl als demokratischen Rückschritt bezeichnet. Die Beobachter der OSZE berichteten von Missbrauch von Verwaltungsressourcen bei der Wahl, sowie einen Mangel an Transparenz in der Kampagne und in der Parteienfinanzierung und nicht ausgewogener Medienberichterstattung. Auch die Europäische Union hatte etwa kritisiert, dass die Oppositionsführerin Timoschenko wegen einer umstrittenen Haftstrafe bei der Wahl nicht kandidieren durfte. Die Abstimmung sei ein "Rückschritt" gewesen, sagte auch US-Außenministerin Hillary Clinton. (APA, 1.11.2012)