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Pressekonferenz der protestierenden Flüchtlinge vor dem Erstaufnahmelager in Traiskirchen.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Viel wurde in den vergangenen Tagen offiziell über AsylwerberInnen debattiert, einiges hat sich für sie geändert: Manches, was sich zu ihrem Gunsten und manches, was sich zu ihrem Schaden entwickeln kann. Das Problem dabei ist: Die Frage, wie es den Flüchtlingen als Betroffenen ergeht, stand und steht leider keineswegs im Mittelpunkt. Es wird über sie geredet, nicht mit ihnen.

Um mit dem Positiven anzufangen: Dass es dem konzertierten Druckausüben des Innenministeriums, unterstützt durch die Regierungsspitze und untermalt von Containerdorfperspektiven am Wörthersee, gelungen ist, die Bundesländer zur Zurverfügungstellung von einer Reihe Unterbringungsplätzen zu bewegen, ist gut. Eine Konzentration von 1400 Flüchtlingen und mehr in einer einzigen Gemeinde ist dem Zweck des Asylwesens nicht dienlich.

Dieses besteht darin, die Flüchtlinge in Österreich als Schutzsuchende zu behandeln, nicht als Heimsuchung, wie es nach Jahrzehnten des Einhämmerns von Parolen wie "Asyl = Missbrauch", "Asyl = Kriminalität" durch RegierungspolitikerInnen, Freiheitliche und Kronen Zeitung leider der Fall ist. Die Bedürftigkeit eines Menschen kann man am Besten entdecken, wenn man die Chance hat, ihm oder ihr persönlich zu begegnen.

Nähe fördert Verständnis

Werden Asylwerber also nicht in großen Wohneinheiten, sondern dezentral in den Gemeinden untergebracht, kann das positive Nähe herstellen. Nicht zufällig engagieren sich schon bisher in vielen Fällen lokale Ortsbewohner gegen ungerechte, zerstörerische Abschiebungen, wie sie gerade in diesen Wochen wieder endemisch sind.

Zudem war und ist auch die Weigerung der Länder, ihre Asylquoten zu erfüllen, ein Symptom der grassierenden Flüchtlingsfeindlichkeit - neben einem Zeichen, dass die Finanzierung des Systems unzureichend ist. Sollen beim Thema Asyl in Österreich also normalere Umgangsformen Einzug halten, muss den BewohnerInnen zugemutet werden, sich mit Flüchtlingen auseinanderzusetzen.

Doch ob dies nach den derzeit laufenden Verlegungen von mehreren hundert AsylwerberInnen aus Traiskirchen in die Länder auch geschehen wird ist - und hier kommen wir zu einem ersten Negativpunkt - unsicher bis fraglich. Die Umzugsaktion nämlich findet ohne jede Erklärung für die dadurch Betroffenen statt: Weder die BewohnerInnen von Gemeinden, in die jetzt AsylwerberInnen kommen noch die AsylwerberInnen selbst werden vorab ausreichend informiert.

"Zwangsverlegungen"

Vielmehr kommt die meist innerhalb Stundenfrist ergehende Aufforderung, zusammenzupacken und sich in einen Bus zu setzen, für viele Traiskirchner Flüchtlinge einem Überfall gleich. Daraus speist sich die Rede von "Zwangsverlegungen" durch die refugee-Protestbewegung, die am Samstag eine Pressekonferenz im Votivpark-Zeltlager abhielt: Jener Bewegung, der unterstellt wird, statt Flüchtlingsinteressen nur die Forderungen linker KritikerInnen zu transportieren - und die derzeit dennoch als einzige authentische Stellungnahmen von AsylwerberInnen verbreitet.

Frage der Startbedingungen

In den Zielgemeinden der Verlegungen wiederum fühlen sich manche BewohnerInnen durch die Ankunft der AsylwerberInnen überrumpelt. Und wie zu erfahren war, wurde aufnehmenden WirtInnen mancherorts geraten, die neuen Gäste fürs Erste so weit wie möglich im Haus zu halten: keine wirklich guten Startbedingungen.

Und dann - drittens - ist da das Problem mit der Unterkunftsqualität. Die Überprüfung dieser liegt allein in den Händen der aufnehmenden Länder, die sich den damit zusammenhängenden Notwendigkeiten und Herausforderungen auch schon bisher in sehr unterschiedlichem Ausmaß gestellt haben.

Breite Palette an Grauslich- und Unzumutbarkeiten

Kärntner Saualm-Härten, burgenländische Schimmel-Pensionen, Gasthöfe in idyllisch-abgelegenen Gegenden, die mangels Infrastruktur für urlaubsreife ArbeitnehmerInnen, aber sicher nicht für beschäftigungslose sowie vielfach traumatisierte Flüchtlinge geeignet sind: die Palette der Grauslich- und Unzumutbarkeiten war schon bisher breit.

Um die Länderunterbringung von AsylwerberInnen für diese erträglich zu gestalten, wird es in den kommenden Tagen und Wochen also nötig sein, genau darauf zu schauen, wer wie wohnt. Und es wird nötig sein, Druck für bundesweite Unterbringungs-Qualitätsstandard zu machen: Eine Forderung von Flüchtlings-NGOs und Grünen, die jetzt zusätzlich Aktualität gewonnen hat.
(Irene Brickner, derStandard.at, 1.12.2012)