Peking/New York - China setzt auf Einschüchterung: Zum zweiten Mal in nur sieben Monaten musste ein ausländischer Korrespondent das Land verlassen. Diesmal traf es den erfahrenen China-Journalisten Chris Buckley, der seit zwölf Jahren in China arbeitet. Hintergrund seiner Ausweisung sind die heiklen Enthüllungen der "New York Times" über die enormen Reichtümer und undurchsichtigen Geschäfte der Familie des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao, die "wie eine Bombe eingeschlagen" hatten, wie die "Financial Times" bemerkte.

Das harsche Vorgehen gegen den 45-jährigen Australier Buckley überraschte zunächst, weil er nicht einmal an den Recherchen beteiligt war. Er war im Oktober erst von der Nachrichtenagentur Reuters zu seinem alten Arbeitgeber "New York Times" zurückgewechselt und hatte dort einen frei gewordenen Posten übernommen. Der eigentliche Autor der Enthüllungsgeschichte war vielmehr David Barboza, dessen Visum hingegen problemlos verlängert worden war.

Indirekte Warnung

Der Widerspruch ist aber nur scheinbar. Denn eine direkte Ausweisung Barbozas als Urheber der peinlichen Demaskierung des Premiers hätte China angreifbar gemacht. Zwangsläufig wäre auch die amerikanische Regierung auf den Plan gerufen worden. Doch Peking lässt jetzt rätseln, ohne seine Motive offenzulegen. Die Methode ist in China wohl bekannt: "Das Huhn töten, um den Affen zu erschrecken" - shaji geihoukan. Alle verstehen diese indirekte Warnung.

Schon seit den Rufen nach "Jasmin"-Protesten nach dem Vorbild des arabischen Frühlings in China wuchs der Druck auf Korrespondenten. Erstmals seit 14 Jahren war im Mai 2012 mit der Amerikanerin Melissa Chan vom arabischen Fernsehsender Al-Jazeera eine ausländische Journalistin des Landes verwiesen worden. Auch hier gab es keine offizielle Begründung. Doch hatte der Sender eine Reportage mit Filmmaterial und Aussagen von Anhängern der in China verbotenen, obskuren Bewegung Falungong ausgestrahlt, was Peking verärgert hatte.

Die 2008 zu Olympia in Peking erlassenen Regeln für ausländische Journalisten wurden so aufgeweicht, dass bewusst Unsicherheit herrscht. Polizei und Außenministerium können heute willkürlich entscheiden, ob ein Korrespondent eine Erlaubnis für ein Interview brauchte oder sich nicht an die Vorschriften gehalten hat. Auf wiederholte Bitten nach Klarstellung geben Beamte nur Antworten wie "Haltet Euch von Dissidenten fern" oder "Sie wissen schon".

"Sensible" Themen

Schon zweimal in weniger als zwei Jahren sahen sich die deutschen Journalisten gezwungen, in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel um Hilfe zu bitten: "Polizei und Staatssicherheit behindern unverändert unsere Arbeit und drohen unverhohlen damit, unsere Visa nicht zu verlängern, wenn wir über "sensible" Themen berichten", schrieben sie zuletzt im August. Beklagt wurden auch Einschüchterung von Quellen oder Gewalttätigkeiten bei Recherchen vor Ort. Auch sind Journalisten Tibet oder Teile der Unruheregion Xinjiang in Nordwestchina versperrt.

Seit Herbst mauert sich China außerdem noch etwas weiter ein, indem die "Große Firewall" genannten Blockaden und die Zensur im Internet verstärkt werden. Ohnehin sind soziale Netze wie Facebook, Twitter oder auch YouTube in China gesperrt. Die technisch versierten Zensoren machen neuerdings selbst VPN-Tunneldienste, mit denen die Blockaden millionenfach untergraben werden, zunehmend unbrauchbar. Kommerzielle ausländische Dienste-Anbieter wie Astrill, WiTopia oder StrongVPN suchen verzweifelt nach Lösungen.

Ein unerfreulicher Nebeneffekt für das China-Geschäft: Auch die Netzwerke großer internationaler Firmen, die in China tätig sind, leiden unter massiven Störungen, wie geklagt wird. Seit Jahresbeginn wollen die Behörden auch durchsetzen, dass sich jeder Internetnutzer mit seinem echten Namen anmeldet. So sollen "illegale" oder "staatsgefährdende" Aktivitäten leichter verfolgt werden können. Auch hier gehe es um Abschreckung, damit die 500 Millionen Nutzer mit ihrer Meinung im Internet nicht zu weit zu gehen, klagen Kritiker. (APA, 1.1.2012)