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Der Premierminister heißt in Irland Taoiseach (ausgesprochen etwa Tiischoch). Amtsinhaber Enda Kenny gibt sich optimistisch, dass sein Land 2013 endgültig die Problemzone verlässt und damit zum Sanierungsvorbild wird.

Foto: Reuters / McNaughton

Wenn wir als erstes Land der Eurozone ein Hilfsprogramm der EU und des Internationalen Währungsfonds verlassen", verkündete der irische Premierminister Enda Kenny am Montag im Dubliner Schloss ohne Konditionalis oder Konjunktiv, "dann kann und wird Irland wieder eine europäische Erfolgsgeschichte sein." Er sprach anlässlich einer bescheidenen Zeremonie zum Auftakt der siebenten EU-Präsidentschaft Irlands.

Tatsächlich laufen die internationalen Hilfskredite der Troika in der Höhe von 67,5 Milliarden Euro zum Jahresende 2013 aus. Dann will das Land seinen Kreditbedarf wieder selbstständig auf den internationalen Kapitalmärkten stillen. Die Voraussetzungen dafür sind besser als bei den anderen Sorgenkindern der Eurozone. Die Renditen auf zehnjährigen irischen Staatsobligationen im Sekundärmarkt stehen seit Wochen auf etwa 4,5 Prozent, was die Zuversicht der Märkte illustriert. Denn die irische Wirtschaft verzeichnet nach einem beispiellosen Absturz wieder bescheidenes Wachstum.

Verantwortlich dafür war bisher ausschließlich der große Exportsektor, der von Firmen in ausländischem Besitz dominiert wird. Irland erzielt den dritthöchsten Exportüberschuss der gesamten EU, und zwar in absoluten Zahlen. Die einheimische Wirtschaft allerdings hat eben erst aufgehört zu schrumpfen, der private Konsum bleibt schwachbrüstig, weil die verfügbaren Einkommen weiter sinken.

Höhere Steuern

Denn der Staat erhöht im Bemühen, sein Haushaltsdefizit abzubauen, laufend Steuern und Abgaben, während die Arbeitslosenquote bei knapp unter 15 Prozent verharrt. Wenn die Iren in der Krise nicht wieder Zuflucht zur Auswanderung genommen hätten, läge die Quote noch höher. Deshalb klang Kenny etwas allzu optimistisch: "Wir sind ein Land in Erholung, das die Erholung in Europa vorantreiben will."

Für den Ratsvorsitz hat sich die irische Regierung zwei Hauptaufgaben gestellt: Zum einen soll der siebenjährige Haushaltsrahmen für die EU verabschiedet werden. Dabei droht Ungemach vom britischen Nachbarn, der mindestens auf einem Einfrieren der Ausgaben besteht. Für die Iren, deren historisch vergiftetes Verhältnis zur einstigen Kolonialmacht inzwischen entspannt und freundlich geworden ist, bildet das ein kniffliges Problem, denn sie wollen die euroskeptischen Briten weder isolieren noch provozieren.

Bankenunion senkt Schulden

Zum anderen wollen die Iren die beschlossene Bankenunion möglichst rasch verwirklichen. Das liegt in ihrem ureigenen Interesse, denn sie erhoffen sich davon eine Verringerung ihres Schuldenbergs, der dieses Jahr mit 120 Prozent des Bruttoinlandproduktes gefährliche Dimensionen erreichen wird.

Die irischen Steuerzahler haben 63 Milliarden Euro in die einheimischen Banken gepumpt - nicht zuletzt unter dem Druck der Europäischen Zentralbank, die darauf bestand, dass die Forderungen europäischer Banken vollumfänglich bedient wurden. Seit dem vergangenen Juni, als der EU-Ministerrat gelobte, die Klammer zwischen Bankschulden und Staatsschulden zu zerschlagen, macht sich Dublin begründete Hoffnungen auf Erleichterungen. Die Anteile des irischen Staates an den überlebenden Banken könnten vom Rettungsschirm ESM erworben werden; Voraussetzung für einen derartigen Schritt ist indessen eine funktionierende Bankenunion. Deshalb drängen die Iren zur Eile.

Bemerkenswerterweise hat die irische Bevölkerung bisher die Austeritätspolitik ziemlich klaglos geschluckt. Bis zum Ende dieses Jahres sollen 85 Prozent der "Korrektur" geschafft sein. Das Ansehen der europäischen Institutionen hat dabei laut Meinungsumfragen Schaden gelitten, aber an der Entschlossenheit, im Euro und in der Europäischen Union zu bleiben, hat sich kaum etwas geändert. Das zeigte sich im vergangenen Mai, als die irischen Wähler dem aus ihrer Perspektive realitätsfernen Fiskalpakt mit zusammengebissenen Zähnen, aber deutlich zustimmten.

Opfer für den Leichtsinn

Vermutlich hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass ein Land mit einer derart offenen Volkswirtschaft existenziell von seinem guten Ruf auf den Kapitalmärkten und in den Chefetagen der multinationalen Konzerne abhängig ist. Dafür scheinen die Iren bereit, hohe Opfer für ihren Leichtsinn während der Jahre des "Keltischen Tigers" zu bringen.

Doch damit die Rosskur auch Erfolg haben kann, und Irland tatsächlich zum Aushängeschild der Sparpolitik mit Signalwirkung an die anderen Euro-Problemländer Griechenland, Portugal und Spanien werden kann, braucht es das Entgegenkommen seiner Partner. Der Internationale Währungsfonds teilt diese Einstellung, doch die Europäische Zentralbank beharrt bisher auf ihrer dogmatischen Haltung. (Martin Alioth aus Dublin, DER STANDARD, 2.1.2013)