Als schlicht atemberaubend beurteilen internationale Experten Schieles Kohlezeichnung von 1918 (vormals Leopold-Museum).

Foto: Sotheby's

Joan Mirós monumentale "Femme debout" von 1969 soll bis zu fünf Millinen Pfund einspielen.

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Dieser den Surrealisten gewidmete Imbiss wird dieser Tage und anlässlich der bevorstehenden Auktionen (Impressionist & Modern Art) im Sotheby's Cafe in der Londoner Bond Street kredenzt.

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Pikantes Gebäck, das mit Tomaten-Chili-Konfitüre und Schafkäseobers " bemalt" werden will, gefolgt von Rote-Rüben-Farbe zu Cheddar-Backwerk. Zwischendurch gilt es Geheimnisvolles ("Ich bin kein Keks") und ein erfrischendes Essiggurken-Frischkäse-Sandwich zu genießen. Zum Abschluss warten ein Earl-Grey-Cupcake mit Vanille-Mascarpone-Glasur, verfeinert mit einer Dalí-Uhr, nebst Clementinen-Makrone und Marshmallow-Wolken. 18 Pfund kostet der derzeit im Sotheby's Café kredenzte Surrealisten-Imbiss mitsamt einer Pink Lemonade, 24 Pfund die Version mit Champagner.

Nun stimmt in der Londoner Bond Street also auch die hauseigene Gastronomie in den Surrealisten-Hype ein. Seit 2001 widmen die beiden Auktionsgiganten dieser Kunstbewegung jährlich eigene Sales, in denen immer neue Künstlerrekorde generiert werden. Vor exakt zwölf Monaten nahm Joan Mirós Siegeszug zum Darling der 2012er-Saison hier seinen Anfang: Im Zuge des Evening-Sales bewilligte ein anonymer Bieter Christie's stolze 16,84 Millionen Pfund (20,24 Mio. Euro) für Painting Poem (1925) und bescherte dem Einbringer - der dafür 1985 700.000 Dollar gezahlt hatte - einen satten Zugewinn.

Der neue Künstlerrekord hielt allerdings kein halbes Jahr: Im Windschatten der über London nach Barcelona und Washington wandernden Großretrospektive gierte die spezialisierte Sammlerschaft nach seiner Malerei, die - hatte sein Kollege Dalí beanstandet - "zu grandios für die dumme Welt unserer Künstler und Intellektuellen" sei.

Im Zuge des im Juni anberaumten Auftritts der Sparte Impressionist & Modern reichte Sotheby's Étoile Bleue, eines der 1927 entstandenen Traumbilder, für 23,56 Millionen Pfund (29,26 Mio. Euro) zum seither gültigen Weltrekord sowohl für Miró als auch einen Surrealisten weiter. Beide Topzuschläge finden sich auch im Ranking der zehn höchsten auf dem Marktplatz London im Laufe der vergangenen zwölf Monate erteilten (siehe Tabelle).

Ausgebürgerte Trias

Kommende Woche offeriert man dort Arbeiten des Katalanen, die teils jahrzehntelang nicht in der Öffentlichkeit zu sehen waren: Christie's etwa das Gemälde L'échelle de l'évasion (5-8 Mio. Pfund), begleitet von seiner monumentalen Skulptur Femme debout (3-5 Mio.), die zuletzt drei Jahrzehnte in einer New Yorker Privatsammlung ihr Dasein fristete. Sotheby's kontert mit dem nicht minder marktfrischen Femmes rêvant de l' évasion (8-12 Mio.) sowie dem ehemals in der Sammlung Billy Wilders beheimateten Le fermier et son épouse (5,5-7,5 Mio.).

Um die 103 Millionen Pfund will Sotheby's allein über den Evening-Sale (5. 2.) einspielen, wobei sich die aus dem Leopold-Museum ausgebürgerte Schiele-Trias mit neun bis zwölf Millionen Pfund (elf bis 15 Mio. Euro) beteiligen soll: Die beiden Gouachen Selbstdarstellung mit Wally (1914/15) und Selbstportrait in grünem Hemd (1914) sowie die Kohlezeichnung eines auf dem Rücken liegenden Mädchens (1918) werden die Häuser am Meer-Einigung mit den Erben nach Jenny Steiner (Juni 2012) kompensieren. Der neue Auktionsrekord für eine Arbeit auf Papier ist Schiele allein über die angesetzte Taxe für das Liebespaar (6,5-8 Mio.) im Vorfeld gesichert: Der bisherige liegt bei 5,44 Millionen Pfund (7,82 Mio. Euro), die Sotheby's im November 2007 für sein Selbstbildnis mit kariertem Hemd (1917) notiert hatte.

Bei Christie's belaufen sich die monetären Erwartungen anderntags auf bis zu 146 Millionen Pfund, wozu die Surrealisten-Garde 47 Millionen beizusteuern hätte. Die "herausragende Qualität" dieser Sektion verweise auf Christie's als "the house of choice", markiert Deputy Chairman Olivier Camu sein Revier an der Akquisitionsfront. Wie wichtig der Marktplatz London tatsächlich ist, zeigt dessen 2012er-Bilanz: mit 1,1 Milliarden Pfund steuerte er ein gutes Drittel des weltweit eingespielten Auktionsumsatzes bei. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 2./3.2.2013)