"Irgendwann werde ich dich nicht mehr erkennen", sagt der Kranke zu seiner neuen Liebe. Die bleibt trotzdem an seiner Seite. Martina Gedeck und Klaus Maria Brandauer in "Die Auslöschung".

Foto: ORF/Mona Film/Petro Domenigg

STANDARD: Schwer zu sagen, was in Film und Fernsehen seltener zu sehen ist: Das Thema Alzheimer oder der Kuss eines älteren Mannes. Hält man beides dem Publikum nicht zumutbar?

Brandauer: Bei uns gibt es einen Kuss.

STANDARD: In gebotener Kürze.

Brandauer: Nach dem Motto: je älter, desto kürzer? Ich habe keinen Gedanken daran verschwendet. Abgesehen davon: Wenn Schauspieler alt sind, dann möchten sie nicht in jede Falte gefilmt bekommen. Bei mir beginnt das auch schon, aber in diesem Film muss man doch auch so merken, dass wir uns wahnsinnig gern haben.

STANDARD: Dann ist es nicht notwendig, mehr zu zeigen?

Brandauer: Ich kenne Schauspieler, die sich am laufenden Band ausziehen, Männer wie Frauen. Aber zwischen Martina Gedeck und mir war das nicht notwendig.

STANDARD: Sie sagten in Interviews, dass Sie sich auf ihre Rollen ein Leben lang vorbereiten. Wie darf man sich das hier vorstellen?

Brandauer: Das sage ich immer flapsig, weil ich das natürlich für keine gute Frage halte: "Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?" Da kann ich nur sagen: 69 Jahre. Diese Fragen nach dem Zusammenspiel zwischen Schauspielern und Regie, das ist doch müßig! Der Film soll die Zuschauer interessieren, und die Menschen, die darin spielen, mit denen sollen sie mitleiden oder sich eben mitfreuen oder was auch immer ...

STANDARD: In der "Auslöschung" geht es um das unmittelbare Zusammentreffen von Glück und Katastrophe?

Brandauer: Er ist ein einsamer alter Wolf, und dann verliebt er sich, und sie sich in ihn. Ein One-Night-Stand - in dem Alter! Wahnsinn! 

STANDARD: Der Traum jedes reifen Mannes?

Brandauer: Überhaupt nicht, hier ist es eben so. Ich persönlich finde es aber auch im reifen Alter nicht schlecht, wenn mich Frauen attraktiv finden. Ich bin nicht auf der Welt, um ungeliebt zu bleiben.

STANDARD: Lassen wir das Thema Sex ...

Brandauer: Das ist schon Sex? Donnerwetter! Dann können wir bleiben...

STANDARD: Ich würde gern auch über Alzheimer reden. Sprachen Sie mit Betroffenen?

Brandauer: Ich weiß, dass viele Leute meiner Gilde bei einer solchen Figur ein paar Wochen ins Krankenhaus gehen. Ich mache das nicht, weil ich Fantasie habe. Nicht, dass die anderen keine hätten, aber bei Alzheimer stelle ich mir vor, dass man innerlich langsam ausrinnt. 

STANDARD: Können Beziehungen eine solche Prüfung überstehen?

Brandauer: Es ist für beide kein Honigsllecken. Entscheidend ist aber: Geniert euch nicht, wenn die Mama oder die Ehefrau krank wird! Es gibt Menschen - ich gehöre dazu - wenn meine Frau stolpert, geniere ich mich ein bisschen. Aber ich hoffe, dass ich mich nicht geniere, wenn sie krank ist und dass ich dort sein werde, wo ich hingehöre.

STANDARD: Wie geht man aber mit dem eigenen Sich-Genieren um?

Brandauer: Es gibt zwei Möglichkeiten: Die eine ist, ich bin krank und zeige es ganz offen. Andere wollen das lieber nicht, ich vermute, ich gehöre eher zu diesen. 

STANDARD: Das Medium spielte bei der Entscheidung zu diesem Film keine Rolle?

Brandauer: Nein, diesen Film können Sie, so wie er ist, auch auf der großen Kinoleinwand sehen. Ich wusste vorher, dass fantastische Leute dabei sind. Abgesehen davon, dass zwei Schüler von mir spielen, Birgit Minichmayr und Philipp Hochmair. Meine Kinder sind alle etwas geworden.

STANDARD: Spricht der stolze Vater?

Brandauer: Ja, dabei kann ich gar nichts dafür, weil ich habe sie nicht begabt gemacht. Ich habe ihnen nur etwas beigebracht, damit sie in diesem grauenvollen, schrecklichen, fantastischen, göttlichen Gewerbe, das keine Sau braucht, das unbedingt notwendig ist, ihren Mann, ihre Frau stehen.

STANDARD: Österreichische Anteile an internationalen Erfolgen erhalten derzeit wieder sehr großen Applaus im eigenen Land. Erinnert Sie das an Ihre Vergangenheit?

Brandauer: Komischerweise ist das so hier, wenn man internationalen Erfolg hat, erhält man wahnsinnigen Applaus. Es gibt immer wieder Leute, die lange Jahre schwer kämpfen, und kaum sind sie da, wollen es alle gewusst haben. Macht nichts. Ich kann da ein Wörtchen mitreden, aber außer einer Tragödie in meinem Leben bin ich auf die Butterseite gefallen, dass ich nicht darüber nachdenke, ob mir dort oder da etwas gelungen oder misslungen ist. Das ist mir egal und zwar schon lange. (Doris Priesching, DER STANDARD, 2./3.2.2013)