"Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Implantat sind sehr viel versprechend", so Klinikleiter Stefan Clemens über sein neues Verfahren. 

Foto: UMG

Greifswald - Deutsche Augenärzte haben ein neues Drainage-System für Glaukompatienten entwickelt und bereits bei 15 Patienten implantiert. Hintergrund ist, dass bei den Betroffenen das Augenkammerwasser nicht ordnungsgemäß abläuft und damit vielfältige Komplikationen verbunden sind. "Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Implantat sind sehr viel versprechend und sollen jetzt wissenschaftlich ausgewertet werden", erklärt Stefan Clemens, Direktor der Augenheilkunde-Klinik Greifswald.

Das Glaukom, auch Grüner Star genannt, ist eine der häufigsten Erblindungsursachen in den westlichen Industrienationen. Hauptursache ist erhöhter Augeininnendruck, der mit zunehmendem Lebensalter zu einem größeren Problem wird. Geschädigt werden die Netzhaut und der Sehnerv, was zu Ausfällen im Gesichtsfeld und späterer Blindheit führt. Ziel ist es daher, das noch verbliebene Sehvermögen zu erhalten und die drohende vollständige Blindheit zu verhindern.

Probleme bisheriger Therapien
Das aktuelle Behandlungsspektrum umfasst hauptsächlich die Gabe von Augentropfen, modernen Laserverfahren und Fistulationsoperationen. Bei der Laserbehandlung geht es um die Regulierung des Abflusssystems im Kammerwinkel des Auges. In der Regel kommt es jedoch wiederholt zu Verwachsungen und Verschlüssen, so dass der Augendruck wieder ansteigt. In solchen Fällen helfen Verödungsbehandlungen der Kammerwasserproduktion mit dem Laser oder der Kältesonde bis zu einem Anteil von etwa zwei Drittel.

Eine große Gruppe operativer Verfahren besteht in der Anlage einer perforierenden oder nicht perforierenden Fistel. Hiermit kann ein großer Teil bereits abgedeckt werden. Bei besonders ungünstiger Ausgangssituation hilft dieses Verfahren oft nicht. Dann kommt es häufig zu einem schmerzhaften geröteten und gereizten Zustand und fortschreitender Erblindung. "Zur Befreiung von diesem quälenden Zustand wünschen die Patienten oft aus sich heraus die Entfernung des Augapfels", so Clemens.

Seit etwa zehn Jahren werden in solchen Fällen Implantate eingesetzt, die das Kammerwasser in ein Reservedepot unter die Bindehaut ableiten. Die Bindehaut gleicht den Übergang vom Augenlid bis zur Hornhaut aus. Meist verschließen sich aber auch hier die Ventile durch eine zunehmende Einkapselung von Fremdmaterial.

Ableitung hinter die Aderhaut

"In unserer Klinik konnten wir jetzt mit einem neuen System die Ableitung unter die Bindehaut vermeiden", sagt Clemens. Das Drainageprinzip besteht in einer Ableitung hinter der Aderhaut. Dort entsteht immer dann ein kleiner Hohlraum, wenn das Auge unabhängig vom Glaukom einen zu niedrigen Augeninnendruck aufweist. Es kommt infolge dessen zu einer Absonderung von Flüssigkeit in entgegengesetzter Richtung. Dadurch wird die Aderhaut zunehmend abgehoben und kann auch bei niedrigem Augeninnendruck die Formkonstanz des Auges noch in etwa erhalten.

Dieser von der Natur vorgegebene Zustand wird bei der neuartigen Glaukomoperation nachgeahmt. Dem Auge wird vorgetäuscht, dass der Druck nicht zu hoch, sondern zu niedrig ist. Daher werden Teile des Kammerwassers in den Raum hinter der Aderhaut abgegeben. Dort findet eine schnelle Versickerung über die Aderhaut und Sklera (äußere Umhüllung des Augapfels) statt und der Druck bleibt niedrig.

Das in Greifswald entwickelte Implantat hält diesen Raum unter der abgehobenen Aderhaut permanent auf. Je nach Drucklage vermag es sogar, den Versickerungsraum zu erweitern oder zu verengen. Das Wiederverwachsen in dieser Region ist im Vergleich zur Bindehaut verschwindend gering.

Auch Fälle von sonst nicht mehr behandelbaren Sekundärglaukomen durch Gefäßwucherung nach Gefäßverschluss der Netzhaut oder diabetischer Retinopathie kommen durch ausbleibende Vernarbungsreaktionen zur Druckregulation, Schmerzfreiheit und Erhalt des Sehens. "Eine Entfernung des Auges musste seitdem nicht mehr vorgenommen werden", betonte Clemens. (red, derStandard.at, 1.3.2013)