Sofia - Die politische Krise in Bulgarien findet kein Ende. Im letzten Moment und ohne Begründung erklärte das Präsidentenamt am späten Donnerstagabend eine Verzögerung beim letzten Versuch zur Regierungsbildung. Zugleich kritisieren Vertreter der Protestbewegung die Auswahl der eingeladenen Personen zu dem vom bürgerlichen Präsidenten Rossen Plewneliew ins Leben gerufenen Beobachterrat von Vertreter der Zivilgesellschaft für die Übergangsregierung.

Plewneliew unternahm am späten Donnerstagabend einen unerwarteten Schritt. Ursprünglich hatte er am Freitag das dritte Mandat zur Regierungsbildung an die türkische Minderheitpartei DPS übergeben wollen. Diese hatte bereits im Vorfeld erklärt, diesen akzeptieren zu wollen. Damit wäre der Weg für den Präsidenten frei gewesen, noch am kommenden Montag eine Übergangsregierung zu bestimmen. Jedoch hieß es am Donnerstag überraschend, der Auftrag zur Regierungsbildung werde der DPS erst am Dienstag erteilt.

DPS hat schon Erfahrung

Der Schritt wurde von Beobachtern in Bulgarien am Freitag unterschiedlich interpretiert. Einige vermuten der Präsident wolle abwarten, um zu sehen, ob die für Sonntag angekündigten neuerlichen Proteste ab- oder zunehmen werden, und so besser die Personen der Übergangsregierung besser auswählen zu können. Andere spekulieren bereits über die Möglichkeit, dass doch noch eine Koalition im gegenwärtigen Parlament unter der Führung der türkischen Minderheitspartei DPS ausgehandelt werden könnte. Die DPS hat bereits zweimal in der letzten 23 Jahren nach der Wende derartige Regierung angeführt.

Zugleich warnte der Ex-Premier Dimitar Popow (1990-1991), in einem Interview mit der Tageszeitung "254 Tschassa" davor, dass der bürgerliche Ex-Premier Bojko Borissow wegen Interessen von wirtschaftlichen Gruppierungen ermordet werden könnte. Solche Gruppierungen würden dadurch in der politischen Krise die Spuren ihrer illegalen Geschäfte besser verwischen können. Borissow selbst hatte bei seinem Rücktritt vergangenen Woche von Plänen zu einem Mordanschlag auf ihn durch den Ex-Türkenanführers Achmed Dogan gesprochen.

Spannungen innerhalb der Protestbewegung

Unterdessen verstärken sich die Spannungen innerhalb der Protestbewegung. Kritik gibt es an der am Donnerstag vom Präsidentenamt veröffentlichten Liste von 40 Vertretern der Zivilgesellschaft, die einen gesellschaftlichen Beobachterrat der Übergangsregierung bilden sollen. Darin fehlt für viele die Anführer der Proteste. Bemängelt wird auch, dass jedoch die Gewerkschaften, Arbeitgeber und Naturschützer darin vertreten sind. Ein Teil der Protestbewegung riefen daher zum Boykott der ersten Sitzung auf, wie das Onlineportal "Offnews.bg" berichtete.

Wachsende Spannungen gibt es außerdem zwischen der Gruppe von Demonstranten um den linksradikalen Angel Slawtschew, die vom Präsidenten eingeladen wurde, und jener Gruppierung um die Anführerin der Lesbenbewegung Dessislawa Petrowa und den bekannten Regisseur und Schauspieler Andrej Slabakow, die keine Vertretung im Zivilrat fanden. Sie werfen dem Präsidenten vor, die Einigkeit und Stärke der Demonstranten durch das klassische "divide et impera" zerschlagen zu wollen.

Abgesehen von der Unruhen in der Hauptstadt sind die Lokalbehörden beunruhigt, dass ihnen die Zeit zur Vorbereitung der vorgezogenen Parlamentswahlen am 12. Mai nicht ausreichen wird, berichtete das Onlineportal " vsekiden.com". (APA, 1.3.2013)