Wien - Bei den Verhandlungen zum Lehrerdienstrecht kristallisiert sich nach Ansicht des Vize-Chefs der Pflichtschullehrer-Gewerkschaft, Thomas Bulant (FSG), immer mehr das Thema Arbeitszeit als "gordischer Knoten" heraus. "Die Regierung denkt immer noch die Besoldungsfrage unabhängig von der Gesamt-Arbeitszeit", so Bulant. "Es wird nur die reine Unterrichtsverpflichtung mit Gehaltszahlen bewertet." Zu lösen wäre der Knoten seiner Ansicht nach, "indem man die Gleichung aufstellt: Lehrverpflichtung ist gleich Unterricht plus Beziehungsarbeit". Tätigkeiten wie Klassenvorstand, aber auch Sozialarbeit, eine Kinder-Eltern-Lehrer-Stunde oder etwa Tätigkeiten als Schulbibliothekar sollten so mit Abschlagsstunden bei der Lehrverpflichtung vergütet werden.

Regierung will Lehrverpflichtung von 24 Stunden

Der derzeitige Regierungsvorschlag sieht vor, dass künftig alle neu eintretenden Lehrer verpflichtend 24 Stunden pro Woche unterrichten sollen. Derzeit gilt für Pflichtschullehrer eine Unterrichtsverpflichtung von 21 bis 22 Wochenstunden, für Lehrer an Bundesschulen sind es grundsätzlich 20 (wobei aber etwa Schularbeitsfächer höher bewertet werden und de facto zu einer niedrigeren Stundenbelastung führen, Fächer wie Bewegung und Sport zu einer höheren). Anders als bisher sollen die Lehrer je nach unterrichtetem Fach Zulagen erhalten, Extra-Geld gibt es auch für "Spezialfunktionen" wie die Betreuung von Junglehrern, für Bildungs- und Schülerberatung oder Berufsorientierung.

Arbeit "nebenbei" soll miteinberechnet werden

"Die Lösung steht ja eh schon im Gesetzesentwurf drin", meinte Bulant, der auch Mitglied im Gewerkschafts-Verhandlungsteam ist. "Dort heißt es: Die Kernkompetenzen der Lehrer sind Unterricht und Erziehung. Besoldungsrechtlich bewertet wird aber nur die Unterrichtsarbeit." Er schlägt daher vor, all jene Dinge, die Lehrer derzeit implizit "nebenbei" in die Beziehung zu ihren Schülern investieren, zu institutionalisieren und mit Abschlagstunden bei der Lehrverpflichtung zu belohnen. In einer etwa in Neuen Mittelschulen bereits verankerten Kinder-Eltern-Lehrerstunde hätte man die Chance, den Kindern Tutoring anzubieten: "Jetzt muss ich private, schulische und sonstige Probleme zwischen Gangaufsicht und Stundenbeginn besprechen." Gleiches gelte für die Schulsozialarbeit - "die wird heute von Lehrern erledigt, wobei das zum Teil Kurpfuscherei ist, weil unsere Kompetenz am Schultor endet".

"Win-Win-Situation"

Im Schnitt schätzt Bulant, dass jeder Lehrer durch die Einrechnung dieser Tätigkeiten mindestens zwei Stunden pro Woche in seiner Lehrverpflichtung verbuchen können wird. "Für mich ist das eine Win-Win-Situation, weil die Besoldungsfrage damit geklärt werden kann, andere Tätigkeiten in die Lehrverpflichtung eingerechnet und innovative pädagogische Gedanken institutionalisiert werden." Zur Ankündigung der Regierung, künftig ohnehin "echte" Sozialarbeiter an den Schulen einsetzen zu wollen, meinte Bulant, dass man auf konkrete Fragen zu dem Thema "nicht unbedingt glücklichmachende Auskünfte bekommt". Sollten die Lehrer aber tatsächlich von diesen Tätigkeiten entlastet werden, würden die Abschläge eben wegfallen.

Ostern ist Deadline

Beim Verhandlungstempo sieht Bulant die Gewerkschaft in einem kleinen Dilemma. "Wir als Gewerkschaft müssen eigentlich gleichzeitig auf der Bremse stehen und aufs Gaspedal steigen. Auf der Bremse deswegen, weil es nach derzeitigem Stand Verluste bei der Lebensverdienstsumme gibt - das können wir niemandem erklären, dass eine Gewerkschaft da zustimmt. Anderseits müssen wir aber auch irgendwie ein bisschen Gas geben, weil wir es derzeit immerhin mit zwei konstruktiven Regierungspartnern zu tun haben, die ein Dienstrecht sozialpartnerschaftlich verhandeln." Als Deadline für einen Beschluss in dieser Legislaturperiode sei von der Regierung aufgrund der parlamentarischen Fristen Ostern signalisiert worden.

Skeptisch steht Bulant einer Urabstimmung unter den Lehrern über ein Verhandlungsergebnis gegenüber. Das Dienstrecht solle ja nur für neu eintretende Lehrer gelten. "Da halte ich es für ein bisschen problematisch, dass man jene, die mit diesem Dienstrecht ja gar nichts zu tun haben, darüber befinden lässt, ob künftige Lehrer und Lehrerinnen dieses Dienstrecht gerne oder weniger gerne haben." (APA, 1.3.2013)