Religionsfreiheit/Spanien - Oberster Gerichtshof sieht in Gemeindeinitiativen Kompetenzüberschreitung, Einschränkung der Religionsfreiheit und soziale Ausgrenzung islamischer Einwanderinnen

Madrid - Der Oberste Gerichtshof in Spanien hat Gemeinden untersagt, das Tragen islamischer Ganzkörperschleier in öffentlichen Gebäuden zu verbieten. Gemeinden und Städte dürfen Frauen in Burkas oder anderen Kleidungsstücken, die das Gesicht komplett verhüllen, nicht mehr den Zutritt zu öffentlichen Gebäuden verwehren.

"Gefahr der sozialen Ausgrenzungen"

Das Gericht begründete sein Urteil laut spanischen Medienberichten vom Freitag mit der Gefahr der sozialen Ausgrenzungen muslimischer Einwanderinnen, die durch ein solches Burka-Verbot entstehen könnte. Zudem stünde es spanischen Gemeinden und Städten verfassungsgemäß nicht zu, Gesetze zu verabschieden, die die Religionsfreiheit einschränken.

Zunächst lehnten Regionalgerichte sowie der Oberste katalanische Gerichtshof die Klage des EinwanderInnenverbands Watani gegen das Burka-Verbot ab. Mit dem Urteil setzt der Oberste spanische Gerichtshof nun jedoch einer jahrelangen öffentlichen Debatte über das Tragen von religiösen Ganzkörperschleiern auf landesweiter Ebene zunächst ein Ende.

Debatte über Religionsfreiheit

Als erste spanische Gemeinde verbot die katalanische Stadt Lleida das Tragen von Ganzkörperschleiern in öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen der 136.000 EinwohnerInnen zählenden Stadt nahe der französischen Grenze. Die Maßnahme sollte laut FürsprecherInnen nicht nur die Kommunikation zwischen Spaniern und EinwandererInnen erleichtern, sondern auch die "Identifikation" der betreffenden Personen. Weiterhin rechtfertigten die Parteien im Stadtrat ihre Entscheidung damit, "radikal-islamische Tendenzen" im Keim ersticken zu wollen. In einigen Fällen wurde Einwanderinnen mit Ganzkörperschleier unter Androhungen von 600 Euro Strafe sogar die Fahrt in öffentlichen Stadtbussen verboten. Das Burka-Verbot sollte sogar auf den Straßen gelten, was wegen juristischer Bedenken im letzten Moment jedoch keine Mehrheit im Stadtrat fand.

Lleida verzeichnet mit 20.000 MuslimInnen eine der höchsten Ausländerquoten Spaniens. Andere spanische Städte und Gemeinden folgten dem Burka-Verbot in Lleida, was zu einer politisch-gesellschaftlichen Debatte über Religionsfreiheit, BürgerInnen- und Frauenrechten führte. (APA/red, dieStandard.at, 1.3.2013)