Josef Pühringer: "Ich glaube nicht, dass die ÖVP aus dem Trockendock der Opposition gestärkt hervorginge."

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Linz – Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) befürwortet zwar "Toleranz" für homosexuelle Paare, will ihnen aber keine zusätzlichen Rechte gewähren. "Ich warne eindringlich vor Gleichstellung", sagte er im STANDARD-Interview. "Denn da wird das Grundbild abgewertet, das man anzustreben hat."

Die Lebenserfahrung zeige, dass traditionelle Familien nicht immer funktionieren, aber da halte er sich an die Heilige Schrift: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet." Bloß weil einzelne traditionelle Familien zerbrechen, dürfe man nicht vom Idealbild abgehen. Dieses bleibe "die Familie mit Mutter, Vater und Kindern. Das zu sagen ist nicht uncool, sondern genau das Gegenteil."

Grundsätzlich warnt der Obmann der mächtigen ÖVP Oberösterreich seine Partei davor, nach gesellschaftspolitischer Modernisierung zu streben – und dabei die wahren Sorgen der Menschen zu übersehen, etwa bei der Pflege.

STANDARD: Sie koalieren seit bald zehn Jahren mit den Grünen. Auf Bundesebene sieht es künftig eher nach einer komplizierten Dreierkoalition aus. Wen halten Sie für vorstellbare Partner der ÖVP?

Josef Pühringer: Ich bin kein großer Verfechter von Dreierkoalitionen auf Bundesebene. Man sieht ja, dass eine Zweierkoalition schon schwierig genug ist. Wichtig ist, dass eine Regierungsform gefunden wird, in der die Programme der Parteien viel Deckungsfläche haben, denn sonst ist der Konflikt ja vorprogrammiert.

STANDARD: Hätte die ÖVP denn genug Überschneidungsfläche mit Frank Stronach?

Pühringer: Hier müsste man wissen, wie sein Programm ausschaut - bisher hat er ja noch nichts gezeigt. Ich habe große Achtung vor Stronachs wirtschaftlichem Lebenswerk, aber mit seiner zentralen politischen Ansage, dass der, der das Gold hat, die Regeln macht, kann ich mich nicht anfreunden. Das ist demokratiepolitisch einfach unmöglich vertretbar.

STANDARD: Die ÖVP ist seit 26 Jahren in der Regierung. Warum nicht einfach mal in die Opposition gehen zur inneren Neuorientierung?

Pühringer: Ich glaube nicht, dass die ÖVP aus dem Trockendock der Opposition gestärkt hervorginge. Wir sind eine Regierungspartei. Unsere Oppositionsjahre waren nicht die erfolgreichsten.

STANDARD: Eine gewisse Neuausrichtung ist wohl in jedem Fall notwendig. Derzeit steht das festgefahrene ÖVP-Familienbild in Kritik. Ist hier nicht Modernisierung gefragt?

Pühringer: Ich bin dafür, dass man niemanden ausgegrenzt und der freien Entscheidung Respekt entgegengebracht wird. Ich bin aber auch dafür, dass sich die ÖVP zu ihren Grundwerten bekennt. Unser Idealbild ist die Familie und bleibt die Familie mit Mutter, Vater und Kindern. Das zu sagen ist nicht uncool, sondern genau das Gegenteil.

STANDARD: Spannend, dass dennoch genau Oberösterreich eines der Bundesländer ist, in denen gleichgeschlechtliche Paare Pflegekinder aufnehmen können und das auch seit Jahren tun. Ist das Land also toleranter als sein Hauptmann?

Pühringer: Ich warne eindringlich vor Gleichstellung. Denn da wird das Grundbild abgewertet, das man anzustreben hat. Toleranz heißt nicht Gleichstellung. Toleranz heißt nur, dass ich akzeptiere, dass es das andere auch gibt. Es ist das Recht einer politischen Partei wie der ÖVP, familienpolitisch ein Ziel zu haben.

STANDARD: Also trotz jeglicher Gerichtsurteile auf EU-Ebene und in Deutschland - keine rechtliche Gleichstellung für Homosexuelle?

Pühringer: Unser Ziel ist nun mal die traditionelle Familie. Wir haben großes Verständnis, wenn die mal nicht gelingt - also für Alleinerzieherinnen und so. Ich halte mich an die heilige Schrift: Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Deswegen kann man aber nicht seine Idealbilder aufgeben.

STANDARD: Gibt es denn andere Themenfelder, in denen Sie der ÖVP Modernisierung zugestehen?

Pühringer: Die Frage ist nicht der Modernisierungsbedarf. Ein wichtiges Thema wird in Zukunft sein, wie es mit einer Gesellschaft weitergeht, in der es immer mehr alte Menschen gibt. Die Pflege bedarf einer totalen Neubewertung, wenn wir sechsmal so viele Achtzigjährige haben. Es geht also nicht um Modernität, Erscheinungsbilder, Design und was weiß ich, sondern darum, wer auf die Fragen, die die Menschen bewegen, die richtigen Antworten hat.

STANDARD: Und diese richtigen Antworten finden sich schon jetzt in den Leitbildern der ÖVP?

Pühringer: Unsere Grundprinzipien Personalität, Solidarität und Subsidiarität sind Werte, die in jedes Jahrzehnt übersetzt werden können. Auch kleine Einheiten wie Familie und Gemeinden zu achten ist zu jeder Zeit gültig.

STANDARD: Anderes Thema: eine mögliche Medizin-Fakultät in Linz. Kritiker befürchten einen Ansturm deutscher Studierender, weil Österreich die Inländerquote nicht mehr argumentieren könnte.

Pühringer: Wir brauchen die Medizin-Fakultät, weil ein massiver Ärztemangel droht und sich derzeit schon abzeichnet. Die Quote ist für mich überhaupt kein Argument, weil sie immer wieder neu fixiert werden wird. An mehr Medizinstudenten als gegenwärtig führt kein Weg vorbei.

STANDARD: Es sollen also nicht Studienplätze an anderen Standorten verringert, sondern zusätzliche Plätze geschaffen werden?

Pühringer: Genau so ist es, und das werden wir auch durchbringen.

STANDARD: Erwin Pröll ist der dienstälteste Landeshauptmann, Sie sind seit 18 Jahren im Amt. Wann ist es an der Zeit zu gehen?

Pühringer: Für manche Politiker sind fünf Jahre Amtszeit lange, für andere sind 20 Jahre noch nicht genug. Erwin Pröll ist eine Ausnahmepersönlichkeit, der aus diesem Niederösterreich unheimlich viel gemacht hat. Das honorieren die Bürger. Zu meinem Verbleib kann ich mit bestem Gewissen noch nichts sagen. Wann einer geht, bestimmen letztendlich seine Gesinnungsgemeinschaft, sein Gesundheitszustand, der Wähler und natürlich der liebe Gott. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 2.3.2013)