Vincent Riebeek und Florentina Holzinger zeigen "Spirit" als österreichische Erstaufführung im Brut-Künstlerhaus am 8. und 9. März im Anschluss an "The Humping Pact".

foto: standard/matthias cremer

Ihr gleichnamiges Stück eröffnet am 8. März das Festival Imagetanz im Brut-Theater.

Wien - Sie lieben Tricks, Freiheit und Geheimnisse. Tabus dagegen, "auch in der Kunst", weisen sie zurück. Mit diesen Prinzipien machen die beiden Choreografen, Tänzer und Performer Florentina Holzinger und Vincent Riebeek seit zwei Jahren Furore. Ihr draufgängerisches Duett Kein Applaus für Scheiße, das in der Vorjahres-Ausgabe des Festivals Imagetanz auch im Wiener Brut-Theater zu sehen war, sorgte international für Aufsehen. Kommende Woche werden die Österreicherin und der Niederländer bei Imagetanz 2013 ihre nächste Kollaboration in Wien vorstellen.

"Kein Applaus für Scheiße war unsere erste Arbeit für einen Theaterraum" , sagen sie stolz. Der plötzliche internationale Erfolg, der Holzinger (27) und Riebeek (24) noch in ihrer Ausbildungszeit an der Amsterdamer School for New Dance Development ereilt hat, kommt nicht nur aus einer " Obsession für unsere Arbeit, sondern auch aus einer Obsession füreinander". Auch nicht bloß aus ihrer Praxis, sich mit spektakulären Szenen an künstlerischen und gesellschaftlichen No-Gos abzuarbeiten. Sondern vor allem daher, weil im zeitgenössischen Tanz der Boden für ihre freizügige Ästhetik bereits aufbereitet ist.

Vorgearbeitet haben da unter anderen Künstlerpersönlichkeiten wie die New Yorkerin Ann Liv Young, das französische Künstlerduo Cecilia Bengolea und François Chaignaud oder auch der Kanadier Dave St-Pierre. Young brachte den Punk, Bengloea und Chaignaud sorgten für Glamour. Holzinger und Riebeek pflanzten ihre unkonventionelle Auffassung von Zirkus und Burlesque, Popkultur und Kunst in ein neues, wildes Feld im Tanz. Dabei beziehen sie sich dezidiert auf Carolee Schneemann, Marina Abramovic und eben Ann Liv Young, mit der Holzinger gearbeitet hat.

Unbekümmertheit

Im Gespräch mit dem Standard gibt das Künstlerpaar entspannt Auskunft. Zum Beispiel über den Vorteil, mit jugendlicher Unbekümmertheit an das Kunstmachen heranzugehen. Es ist "eine Balance zwischen Reflektiertheit und Handeln, fast ohne darüber nachzudenken", resümiert Holzinger. Denn sobald "das Reflektieren Überhand nimmt", meint Riebeek, "erlaubt man sich bestimmte Dinge nicht mehr." Bei Kein Applaus für Scheiße wurde unter anderem blaue Farbe erbrochen, mit rosa Masse geballert oder die Blase entleert. Künstlerische Herausforderungen zu formulieren ist für die beiden ein Spiel mit Grenzen, kein messianischer Auftrag.

Zusammengefunden haben sie an der School for New Dance Development. "Ich habe sie gefragt, ob sie mit mir arbeiten will", erzählt Riebeek. Es war das Bedürfnis, Zeit miteinander zu verbringen. Und "die gegenseitige Bewunderung von Eigenheiten des anderen, die man selbst nicht hat". Holzinger: "Wir dringen zusammen leicht in Bereiche vor, die wir allein nicht so einfach betreten hätten. An bestimmten Tabus zu rühren war gemeinsam ein echtes Vergnügen."

Riebeek ergänzt: "Jetzt sehen wir aber, dass wir auch Zeit brauchen, in der wir nicht arbeiten. Weil wir befürchten, dass wir uns gegenseitig zu solchen Extremen führen, dass wir nicht mehr miteinander arbeiten können." Und es sei wichtig, "zu entdecken, wer jeder von uns einzeln als Künstler ist". Das Beispiel von Abramovic und Ulay fällt, die im Jahr 1988 als Paar von den entgegengesetzten Enden der Chinesischen Mauer aufeinander zugewandert sind, um sich nach jeweils 2000 Kilometern zurückgelegten Weges in der Mitte zu treffen und zu trennen. Riebeek: " Da haben wir uns gefragt, was gewesen wäre, wenn sie diese Wanderung als Geste benutzt hätten, um etwas abzuschließen - dann aber weitergemacht hätten."

Hingabe und Großzügigkeit

Die neue Arbeit Spirit ist nun ein Abschiednehmen im Versuch, das Gemeinsame zu erhalten. Riebeek: "Wir bringen das Stück, als wäre es unsere letzte Zusammenarbeit." Holzinger: "Wir sagen Goodbye zur Naivität." Es geht um den motivierenden "Spirit", um die Hingabe für eine Sache, und um Großzügigkeit, auch gegenüber dem Publikum.

Und das Politische in ihrer Arbeit? Ein unschlüssiger Blickwechsel. Dann sagt Riebeek: "Ich würde nie ein Stück als ein bestimmtes politisches Statement machen." Gut sei, "sich nicht zum Opfer einer Situation zu machen oder sich ihren Regeln zu unterwerfen". Ein vom Künstlerpaar herausgegebenes Booklet zeigt, dass beide zwar den allgemeinen Missständekatalog intus haben, den Sensationshypes um Desaster aller Art aber zutiefst misstraut. Zitat: "Leiden ist unser Produkt, und das Produkt ist unsere Kunst." Passend zu ihren Stücken wird ritualisierte Gesellschaftskritik auch hier ironisiert. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 2./3.3.2013)