Viktor Orbán hat sich als ein ausgeklügelter Wirtschaftsstratege erwiesen. Ungarn stand vor einem Jahr am Rande des Bankrotts, dem rechtskonservativen Premier schien nichts anderes übrigzubleiben, als ein Bittgang zu EU und Internationalem Währungsfonds (IWF). Diese waren bereit, dem Land zu helfen - wenn Orbán seine eigenwillige Wirtschaftspolitik aufgibt und eisern spart.

Doch die Regierung hielt EU und IWF hin, deutete Kompromissbereitschaft an, ohne Zusagen zu machen. Der Druck ließ nach, den Magyaren blieb ein Sparparket à la Griechenland erspart. Orbán und sein Team können weiter nach Belieben agieren, und am Freitag haben sie klargestellt, dass sie jeden Millimeter ihres Freiraums nutzen: Mit der Ernennung des bisherigen Wirtschafts- und Finanzministers György Matolcsy zum Notenbankchef macht Orbán einen Mann zum obersten Hüter der Finanzstabilität, der die Geschäfte der Finanzbranche als "Hokuspokus" verunglimpft, als nettere Form von "Raub und Diebstahl".

Matolcsy war hauptverantwortlich für die umstrittene Wirtschaftspolitik, die ausländische Investoren als diskriminierend empfinden. Obwohl unabhängige Zentralbanken in der EU als heiliges Gut gelten, hat er öfter darüber doziert, was die Notenbank nicht alles tun könnte, um gemeinsam mit der Regierung das Wachstum anzukurbeln. Vor allem aber wird mit ihm ein treuer Parteisoldat der Regierungspartei Fidesz eines der letzten bisher weitgehend regierungsunabhängigen Institute übernehmen.

Für sich allein betrachtet sind viele der strittigen Schritte Orbáns gut argumentierbar. Die laxe Vergabe von Frankenkrediten an abertausende Kunden ist einer der Gründe dafür, dass Ungarn in einer Rezession feststeckt. Deshalb ist es nicht falsch, einen Beitrag von den Geldhäusern in Form einer Sondersteuer zu verlangen. Andere Aktionen sind problematisch, unterscheiden sich aber nicht von Vorgängen in Westeuropa, wo Notenbankchefs ebenfalls nach Parteicouleur ausgesucht werden.

Doch addiert man alles zusammen und berücksichtigt die politischen Attacken auf kritische Institutionen wie den Verfassungsgerichtshof und Medien, präsentiert sich Ungarn der Welt heute nicht als aufstrebender Staat, sondern als nationalistische Trutzburg. Die Mehrheit der Bevölkerung wollte diesen Kurs und nimmt die Entwicklungen passiv hin. Solange sich das nicht ändert, kann Orbán seine Beinfreiheit weiter genießen. (András Szigetvari, DER STANDARD, 2./3.3.2013)